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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und konstanten Landwind haben, so sind zwar keine Deckhände notwendig; aber wenn plötzlich eine Bö kommen sollte, was in diesen Gewässern häufiger vorkommt als anderwärts, so würde sich die Dschunke ganz gemächlich umlegen und mit uns in die Tiefe gehen. Wo schläft der Kapitän?“
    „Gewöhnlich hier nebenan“, antwortete der Chinese. „Heute aber wagte er das nicht, da er Ihre Gewehre fürchtete. Die Kugeln dringen durch die dünne Wand. Er befindet sich mit dem Schiffsherrn und dem Priester in der hinteren Kajüte.“
    „Das ist gut. Aber sagen Sie mir zunächst, wie ich Sie nennen soll. Sie haben uns Ihren Namen noch nicht gesagt.“
    „Mein Titelname ist Liang-ssi.“
    Auf die Frage des Methusalem hatte der Chinese seinen Titelnamen genannt: Liang-ssi, zu deutsch: ‚gute Geschäfte‘. Dieser Name ließ sehr leicht auf die Eigenschaften seines Trägers schließen; derselbe war jedenfalls ein tüchtiger Kauf- oder überhaupt Geschäftsmann. Kriegerischer Sinn war da nicht zu erwarten.
    „Mich“, sagte der Student, „können Sie verschieden nennen. Ich heiße Degenfeld, zuweilen auch Methusalem. Wollen Sie sich aber lieber des Chinesischen bedienen, so rufen Sie mich ‚Tsing-hung‘.“
    „Tsing-hung?“ fragte der Chinese erstaunt. „Das heißt ja der Blaurote!“
    „Allerdings.“
    „Nennt man Sie so?“
    „Ja.“
    „Weshalb?“
    „Wegen meiner Nase.“
    „Sonderbar! Ist das Ihr Titelname?“
    „Nein, sondern mein Scheng ming.“
    „Ihr Studentenname? Was haben Sie studiert?“
    „Das, was Sie Tschu nennen.“
    „Das heißt alles?“
    „Ja. Ich hatte wenig Lust, aber sehr viel Zeit. Darum lernte ich alles und kann nun nichts. Doch erlauben Sie mir, Ihnen die Namen der andern Herren zu nennen! Dieser Herr ist Kapitän Turnerstick, welcher Name von einem Chinesen, der unsre Sprache nicht kennt, wie Tu-ru-ne-re-si-ti-ki ausgesprochen würde. Hier mein Diener Gottfried, welches letztere Wort wie Go-to-to-fi-ri-di lauten müßte. Eigentlich heißt er auch noch Ziegenkopf, womit ich Sie aber nicht behelligen darf, da ich sonst Zi-ge-ne-ko-po-fo zu sagen hätte. Und nun dieser, mein lieber Freund, heißt Aardappelenbosch. Wie würden Sie da als Prachtchinese sagen?“
    „A-ra-da-pa-pe-le-ne-bo-scho“, antwortete der Chinese.
    „Danke sehr, bin ich jetzt froh, daß ich nicht in Ihrem Reich der Mitte geboren wurde! Und nun, mein lieber Kapitän, möchte ich auch von Ihnen etwas wissen. Wie viele Hände braucht so ein Ho-tschang, um mit oder auf der Dschunke ein Manöver ausführen zu lassen?“
    „Da muß ich wissen, welches.“
    „Wenden.“
    „Wenden? Hm! Das kommt sehr auf den Wind an.“
    „Ich meine den jetzigen.“
    „Also Landwind. Wir gehen vor dem Wind. Eine solche Dschunke ist ein sehr ungehorsames Ding. Ankreuzen kann man nur ganz wenig. Warum fragen Sie?“
    „Wir fahren nach Hongkong zurück.“
    „Nach – Hong – kong?“ dehnte Turnerstick. „Sind Sie verrückt?“
    „Wahrlich nicht.“
    „Die Chinesen werden sich hüten, umzukehren!“
    „Das denke ich auch. Wir fragen sie aber gar nicht.“
    „Alle Teufel! Ich verstehe! Master Methusalem, das ist kühn!“
    „Wenn auch! Dem Kühnen gehört ja die Welt.“
    „Richtig! Welch ein Streich! So etwas wäre noch nie dagewesen.“
    „Desto besser! Ich tue gern etwas, was andere nicht fertigbringen. Also, wie viele Hände brauchen Sie, wenn Sie das Kommando der ‚Königin des Wassers‘ übernehmen?“
    „Will sehen.“
    Er öffnete leise die Tür, trat hinaus und sah sich um. Sein scharfes Seemannsauge erkannte den Wächter, welcher schlafend am großen Mast saß. Er prüfte das Schiff, die See, den Wind, kehrte dann in die Kajüte zurück und sagte: „Landwind und Ebbe, da ist bei dieser Takelung und mit den wenigen und schweren Mattensegeln nichts zu machen.“
    „Wirklich gar nichts?“
    „Ja. Höchstens könnte man die Segel fallen lassen, aber dennoch würde man durch die Ebbe weiter in See getrieben werden.“
    „Können Sie nicht wenigstens beidrehen?“
    „Ja, wir können uns eben vor Topp und Takel legen, aber es nützt uns nichts. Zwar ist die Dschunke in ihrer Art sehr gut gebaut. Ich müßte es doch versuchen, indem ich die Segel killen lasse und sie dann lähnlich brassen. Nehme ich, da Sie das nicht verstehen, dann selbst das Steuer, so kann ich es vielleicht fertigbringen, daß wir wenigstens keine Fahrt machen. Wir treiben dann nicht weiter in See und können warten, bis früh der

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