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321 - In 80 Welten durch den Tag

321 - In 80 Welten durch den Tag

Titel: 321 - In 80 Welten durch den Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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brachte und seine fellow Americans davon überzeugte, die Verfassung für die Zeit der Gefahr außer Kraft zu setzen. Als alleiniger Herrscher brach er schließlich einen Krieg gegen den Islam vom Zaun, bei dem es keinen Sieger geben konnte.
    Eine Karriere, die sehr an die eines anderen Mannes in einem anderen Land über hundertfünfzig Jahre früher erinnerte.
    Der Hagere hasste es, dass er vor seinen Aufträgen stets das historische Archiv bemühen musste, um mehr über die Epoche zu erfahren, in die man ihn abkommandierte. Jedes Mal überkam ihn dabei das Gefühl, dass es kein dümmeres Wesen auf der Welt gab als den Menschen.
    Sein Weg führte zwischen weiten mehrstöckigen Feldern unter Gewächskuppeln hindurch, an deren Außenseiten ständig kleine Bots umherwuselten und sie sauber hielten. Vorbei an einem Stadion für Gravobaseball, einer Sportart, die die Historiker trotz sorgfältigsten Studiums der Archive nicht begriffen.
    Endlich erreichte er sein Ziel: eine hügelige Graslandschaft, auf der unzählige Steine in Reih und Glied standen.
    Erst als er Tom Ericson mit gesenktem Kopf vor einem dieser Steine entdeckte, wurde ihm bewusst, wo er sich befand: auf einem Friedhof. Noch so ein merkwürdiger Brauch der Menschen. Statt das Andenken an die Toten im Herzen zu bewahren, verscharrte man sie außerhalb der Stadt in einem abgegrenzten Gebiet. Aber man konnte nicht alles verstehen.
    Der Hagere steckte das Messgerät zurück in den Mantel und holte stattdessen den Phaseninduktor hervor. Er stellte ihn so ein, dass Ericson nicht leiden musste, wenn er ihn erschoss. Die gebündelten Temporalphasen würden ihn treffen und so weit im Zeitgefüge verschieben, dass er bereits fünf Sekunden vorher tot war. Auf diese Art bekam er nicht mit, was mit ihm geschah. Er hörte schlicht auf zu existieren. Sogar das Erschrecken blieb ihm erspart. Zumindest besagte das die Theorie. Ob sie der Wahrheit entsprach, wusste niemand, denn man konnte ein Opfer des Phaseninduktors schlecht fragen, ob es sich erschreckt hatte.
    Egal. Der Hagere war nicht hierher gekommen, um über temporalphysikalische Probleme zu sinnieren. Er richtete das Gerät auf Tom Ericson und wollte gerade abdrücken, als dieser sich umdrehte.
    Der Hagere ließ den Induktor sinken. Vor ihm stand nicht Tom Ericson, auch wenn die Ähnlichkeit von hinten verblüffend gewesen war.
    Sein Blick ging an dem vielleicht Zwanzigjährigen vorbei auf den Grabstein.
    TOM ERICSON, gest. am 8.2.2460
    Ein Geburtsdatum war nicht eingraviert. Vermutlich besser so, weil jeder es für einen Fehler gehalten hätte.
    Unauffällig ließ der Hagere den Induktor in die Tasche gleiten. Er war verwirrt. Tom Ericson war tot? Die Reise nach Chicago nutzlos? Hätte er das wissen können?
    Natürlich hätte er. Er hätte es nur zu recherchieren brauchen. Wegen Ericsons Unsterblichkeit war er aber ohne darüber nachzudenken davon ausgegangen, dass der Archäologe... nun, eben noch nicht gestorben war.
    Darauf würde er künftig besser aufpassen müssen! Gegen einen gewaltsamen Tod konnten schließlich auch die Nanobots nichts ausrichten, auch wenn das Messgerät ihre nutzlose Aktivität im Grab noch zu erfassen vermochte.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte der junge Mann.
    »Doch, doch, keine Sorge.« Der Hagere zeigte auf die Inschrift. »Es ist nur, dass ich... dass...«
    »Kannten Sie meinen Vater?«
    Der Hagere sah auf. Daher also die Ähnlichkeit! »Sie sind Tom Ericsons Sohn?«, vergewisserte er sich dennoch.
    Der Blonde nickte. »Marshal Ericson. Und Sie sind...?« Toms Sprössling streckte ihm die Hand entgegen. Als der Mann im langen Mantel sie nicht ergriff und auch nicht auf die Frage einging, ließ er sie sinken. »Kannten Sie ihn?«
    »Diesen nicht«, antwortete er unbedacht. Als er die Verwirrung in der Miene seines Gegenübers bemerkte, fügte er hinzu: »Falls Sie in den nächsten Tagen eine Reise nach Rom planen, zu den Ruinen des Vatikans, dann lassen Sie es besser bleiben.« Sie könnten dort etwas sehen, das Sie nicht begreifen würden.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Ich weiß.«
    Mit diesen Worten drehte sich der Hagere um und ließ Toms Sohn stehen. Er erlaubte sich einen Augenblick der Erleichterung, dass ihm das Schicksal seine schwere Aufgabe abgenommen hatte.
    Diese erlosch jedoch, als er sich klarmachte, dass das Ende damit noch nicht erreicht war. Er fürchtete, weiterhin tätig sein zu müssen.
    Wie sich später zeigte, sollte er Recht behalten. Wieder und wieder

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