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323 - Die Hölle auf Erden

323 - Die Hölle auf Erden

Titel: 323 - Die Hölle auf Erden
Autoren: Manfred Weinland
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aber... »… wenn sie ausschwärmen und die Umgebung absuchen, sind wir hier nicht sicher.« Er deutete auf eine Baumgruppe in der Nähe. »Bis dorthin können wir es schaffen, ohne dass sie uns sehen«, schlug er vor.
    Geduckt liefen sie zur Baumgrenze und verschwanden hinter den Stämmen. Es waren vorwiegend Nadelhölzer, deren ausladende Äste in Bodennähe guten Sichtschutz boten.
    Leider konnten sie von hier aus aber die Soldaten nicht mehr sehen und das, was sich bei der Grube tat.
    »Folgen wir ihnen, wenn sie sich wieder zurückziehen?«, fragte Xij. »Sie könnten uns zu Grao führen.«
    Matt wollte bejahen. Doch in diesem Augenblick brach unmittelbar hinter ihnen ein morscher Zweig entzwei.
    Sie wirbelten herum.
    Und sahen sich entdeckt.
    ***
    Es hatte zu schneien begonnen. Eisenflocken rieselten vom drögen grauen Himmel herab, und für einen Moment überlegte Mahó, ob sie lieber umkehren und wieder nach Hause eilen sollte. Dort war sie sicher. Nur dort fühlte sie sich sicher, wenn Stürme tobten.
    Aber seit sie den Toten entdeckt hatte ( er war nicht tot; als ich ihn fand, war er noch am Leben – ich bin schuld, dass er sterben musste, ich war zu langsam, hätte schneller Hilfe holen müssen ...), kreisten alle ihre Gedanken um ihn. Nicht nur, weil er sie mit seinem Aussehen verzaubert hatte, sondern auch, weil er der erste Fremde war, der ihr begegnet war. Sonst gab es in der ganzen Gegend nur ihre Familie: Mutter, Vater und die beiden Brüder, die nicht mehr zuhause lebten, sondern im Tempel.
    Dorthin war Mahó unterwegs, als der Eisenschnee einsetzte.
    Wie so oft erklomm sie den Berg abseits des regulären Weges, wo sie sich ihren eigenen Trampelpfad geschaffen hatte. Sie war noch nicht weit gekommen, als sie von der Bucht her das Tuckern eines Motors hörte. Sie blieb stehen und spähte zwischen den vereinzelt stehenden Bäumen hindurch nach unten.
    Ein Boot näherte sich der Anlegestelle unweit des Hauses, in dem Mahó geboren war. Zu ihrer Verwunderung entdeckte sie Kaito, der kurz darauf an Land ging, das Elternhaus links liegen ließ und stattdessen sofort mit dem Aufstieg begann. Er folgte dem Pfad, der sich serpentinenartig nach oben schlängelte und auch am Tempel vorbeiführte.
    Mahó entschied sich, auf Kaito zu warten. Sie wollte von ihm wissen, was mit dem Leichnam des Fremden passiert war.
    Doch während sie auf ihren Bruder wartete, geschah etwas, womit sie nicht gerechnet hätte.
    Sie hob den Kopf und schnüffelte wie ein Tier, das aufschreckte, weil der Wind ihm eine Witterung zutrug. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, weil der Duft – oder was immer es war – sie an den fremden Jüngling erinnerte.
    Wie von selbst setzten sich ihre Beine in Bewegung.
    Kaito war vergessen. Mahó erlag der Anziehungskraft von etwas, das ihre Sinne zu umnebeln schien – gleichzeitig aber auch auf nie erlebte Weise schärfte. Schritt um Schritt näherte sie sich dem geheimnisvollen Quell der Lockung.
    Und dann übersprang ihr Herz einen Takt, weil sie fassungslos auf die beiden Gestalten blickte, die unweit zwischen Büschen und Bäumen standen und die von ätherischer Schönheit waren: Junge und Mädchen.
    Wie schlafwandelnd ging Mahó auf die Fremden zu, die sich schließlich umdrehten und sie begrüßten.
    ***
    » Oi «, sagte Matt auf Japanisch – das Äquivalent zum guten alten »Hallo«. »Wer bist du?«
    Er war erleichtert, dass kein Soldat auf ihn und Xij zukam, sondern ein Mädchen von vierzehn, fünfzehn Jahren, das mit Rock, Bluse, Blazer, weißen Kniestrümpfen und zierlichen Halbschuhen bekleidet war. Das schwarze Haar wurde von einer Spange zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, sodass das ausdrucksvolle, rundliche Gesicht mit dem eher kleinen Mund und den dafür umso größeren Augen voll zur Geltung kam.
    Für eine Weile starrte das Mädchen sie nur an. Nicht ängstlich, wie es Matt schien, sondern eher fasziniert. Als hätte sie Fremde wie ihn und Xij noch nie zuvor zu Gesicht bekommen. Und vielleicht stimmte das ja auch.
    1945 , rief er sich wieder in Erinnerung. Wir erleben die Tage vor der Bombe, in einem Land, das von westlichen Touristen noch nicht überlaufen ist. Daran gemessen war die Offenheit und Freundlichkeit, die die Kleine zur Schau trug, fast schon unnatürlich.
    Die kleine Japanerin kam furchtlos auf sie zu. Dass keine Gefahr von ihr ausging, war auf den ersten Blick erkennbar. Trotzdem riet Matts innere Stimme zur Vorsicht. Er war andere Verhältnisse
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