325 - Gefahr aus dem All
steuerte. Dabei zog er einen weißen Partikelschweif hinter sich her: die ausströmende Druckluft, die sofort kondensierte und gefror.
»Ich glaub’s nicht«, stöhnte Matt halb fassungslos, halb erleichtert. »Du siehst aus wie Baron Münchhausen auf seiner Kanonenkugel.«
»Schön, dass du deinen Humor nicht verloren hast«, gab Takeo zurück. »Du wirst ihn noch brauchen können, wenn wir es nicht rechtzeitig zum Shuttle schaffen.«
In der ersten Erleichterung hatte Matt die Gefahr durch den Splitterregen für Sekunden verdrängt. Nun lief ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. »Beeil dich!«
Takeo korrigierte den Kurs noch mehrmals geringfügig. Nach endlos langen Sekunden hatte er Matt erreicht. Traumhaft sicher fasste er ihn mit seinem mechanischen Arm an der Hüfte und zog ihn zu sich. Dann gab er Gegenschub und nahm Kurs auf das Mondshuttle.
Das Glück war mit ihnen. Sie erreichten die Rettungsarche, bevor die Druckluft zur Neige ging, und bevor die ersten Trümmerteile sie erreichten. Im buchstäblich letzten Moment, als der Kometenschauer bereits bis auf wenige hundert Meter heran war, zündete Matt die Triebwerke und beschleunigte in Richtung Heimat.
So flogen sie dem Verhängnis buchstäblich davon.
***
Jetzt, da sie sich der Erde näherten, hätte Matthew Drax endlich Zeit gehabt, sich zu entspannen und zu erholen. Doch die nächsten Fragen brannten ihm schon auf der Seele.
»Woher zum Teufel kam diese Rakete?«, wandte er sich an Takeo. »Ich kann’s immer noch nicht glauben, dass sie so plötzlich aufgetaucht ist. Wer hat das Ding abgeschossen? Ich hätte nicht geglaubt, dass heute noch irgendwer auf der Erde dazu fähig wäre.«
Takeo nickte. »Das hat mich auch interessiert. Wie schon gesagt: Ich habe in der verbleibenden Zeit an Bord der AKINA den Kurs der Rakete analysiert. Nicht den bis zum Einschlag, sondern woher sie gekommen sein muss. Die Daten sind alle hier drauf.« Damit öffnete er ein Fach im Brustbereich seiner Plysterox-Panzerung und hielt einen Speicherkristall hoch. »Wenn du Interesse hast...?«
»Machst du Witze? Los, ich platze vor Neugier!«
Miki Takeo schob den Kristall in ein Lesegerät des Bordcomputers. Der Monitor darüber erhellte sich und zeigte das schematische 3-D-Bild der Rakete und den Verlauf ihrer Flugbahn ab der Erfassungsgrenze. Unter Einbeziehung der Geschwindigkeit und der Erddrehung war der Kurs bis zum Ausgangspunkt hochgerechnet worden: irgendwo an der Nordküste von Südamerika – oder Amraka, wie man es heute nannte.
Bei Matt fiel sofort der Groschen. Er war wie elektrisiert. »Die südamerikanische Nordküste. Da liegt – oder lag – Französisch-Guayana.«
»Was ist Französisch-Guayana?«
»Ein Département des Staates Frankreich vor ›Christopher-Floyd‹. In der Nähe der Stadt Kourou war ein Weltraumbahnhof der ESA angesiedelt, der Europäischen Raumfahrtbehörde. Von dort wurden Trägerraketen für Satelliten ins All geschossen.« Er tippte sich mit dem Finger ans Kinn. »Hm, das macht Sinn. Wenn es noch Reste von Hochzivilisationen auf der Erde gibt, dann an solchen Orten.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Vielleicht ist man dort in der Lage, auch die restlichen größeren Trümmerstücke abzuwehren! Das würde Zehntausende von Leben retten!«
»Trotzdem sollten wir zunächst einmal die anderen am Südpol abholen«, erinnerte ihn Miki Takeo.
»Natürlich.« Unbehagen stieg in Matt hoch, als er an die bevorstehende Begegnung mit Aruula und Xij dachte. Er hatte sich entschieden – nun musste er es einer der beiden nur noch schonend beibringen. Keine leichte Aufgabe. Fast wünschte er sich zurück ins All, als Treibgut zwischen den Sternen. Aber nur fast.
ENDE
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