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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der ihr nur wenig über die Knie herabreichte, umschloß ihre Hüften, und ein Tehei von demselben Stoff verhüllte als Überwurf ihre Schultern samt dem Oberkörper. Ihr rabenschwarzes Haar hing ihr voll, lang und lockig am Nacken hernieder, mit keiner Blüte besteckt und von keiner wehenden Faser Arrowroot gehalten. Sie war ja selbst eine Blume, welche man hinweggerissen hatte von dem Ort, an welchem sie am schönsten hatte blühen dürfen.
    Ich bemerkte, daß sie den Eingang durch einen Baststreifen fest verschlossen hatte, trat zwei Schritte von der Wand zurück und rief halblaut:
    „Pareyma!“
    Das Schluchzen verstummte; sie hatte mich gehört.
    „Mata orí, erschrick nicht; Potomba ist in der Nähe!“
    Ein halb unterdrückter Jubellaut ertönte von innen.
    „Wer bist du?“ hörte ich dann fragen.
    „Ein Freund des Ehri. Willst du Matembas Weib werden?“
    „Nein. Ich habe meinen Dolch und werde mich töten, wenn ich keine Rettung finde.“
    „So bist du Potomba treu geblieben?“
    „Ja. Der Vater kam und zwang mich, mit ihm zu gehen.“
    „Wer hat die Mutter des Ehri erstochen?“
    „Der Vater; sie wehrte sich gegen ihn.“
    „Liebst du ihn?“
    „Nein. Ich habe ihn geliebt; jetzt liebe ich ihn nicht mehr!“
    „Du wirst gerettet werden. Tu alles, was dein Vater von dir verlangt. Wenn es uns nicht eher gelingt; so retten wir dich auf der Heimfahrt nach Tahiti.“
    Da erscholl auf der andern Seite des Hauses ein Tamtam; ich trat zu dem Bewußtlosen und legte einen Stein neben seinen Kopf. Steine von ähnlicher Größe lagen auf dem Dach, um dasselbe vor dem Wind zu schützen; es konnte einer derselben herabgerollt sein und den Wächter getroffen haben. Dann kehrte ich auf dem angegebenen Weg wieder zu Potomba zurück.
    Er hatte von der Anhöhe aus jede meiner Bewegungen beobachten können und erwartete mich mit sichtlichem Verlangen. Ich erstattete ihm ausführlichen Bericht und wurde beinahe selbst hingerissen von dem Entzücken, welches derselbe in ihm hervorrief.
    Jetzt mischten sich in den Klang der Trommel die Töne zahlreicher Flöten; jedenfalls sollte die Zeremonie beginnen. Pareyma wurde aus dem Haus gebracht, und hinter ihr setzte sich ein langer Zug in Bewegung.
    „Siehst du Matemba an ihrer Seite, Sahib?“ fragte Potomba.
    „Ich sehe ihn.“
    „Er war mit unter meinen Verfolgern. Oro wird ihn heute nacht verschlingen. Ich werde hier niemandem ein Leid tun, aber während du mit meinem Weib sprachst, habe ich hier beschlossen, wie ich Pareyma wiedererhalte. Ich bin ein Christ, du hast recht, und dieser Kris soll von keinem andern Blut gerötet sein als von dem Blut meiner Mutter; dennoch sollen sie sterben, aber nicht von meiner Hand!“
    Der Zug kam bei dem Altar an, welchen Anoui, der Priester, bestieg, um seine Rede zu beginnen; da verließ mich Potomba und verschwand seitwärts in den Sträuchern. Ich schob mich nun durch dieselben so weit wie möglich vor, um den unter mir liegenden Hang bequem beherrschen zu können. Vor dem Priester standen Matemba und Pareyma; die Tamtams und Pfeifen machten einen ohrenzerreißenden Lärm, welcher auf ein Zeichen des Priesters schwieg. Seine Rede bestand in Schmähungen gegen das Christentum, für welche ich ihm am liebsten eine Kugel durch den Kopf gejagt hätte; dann kamen Verwünschungen des abtrünnig gewordenen Ehri, und endlich griff er hinter sich und nahm von dem Altar einige Schädelknochen, welche er Matemba entgegen hielt.
    „Lege deine Hand auf diese Schädel, welche den Köpfen deiner Voreltern angehörten, und schwöre: Eita anei oe afaarue i ta oe vatrina!“
    Noch hatte Matemba nicht sein ‚Eita!‘ gesprochen, als sich Potomba durch die Menge der Zuhörer drängte und vor dem Altar erschien.
    „Sei gegrüßt, Anoui, du Vater meines Weibes!“ rief er aus. „Sie ist, als ich nicht daheim war, zu dir gekommen, und ich folge ihr nach, um sie mir wiederzuholen.“
    Es entstand eine lautlose Stille. Der Priester streckte abwehrend beide Arme aus und rief:
    „Diese Stätte ist heilig; weiche von ihr und uns, Verräter!“
    Potomba blieb ruhig. Er legte die Hand auf die Schulter Pareymas und antwortete:
    „Ja, diese Stätte ist heilig, weil ich, ein Christ, auf ihr erscheine. Ich werde gehen, doch gib mir vorerst mein Weib!“
    „Entweiche, sonst faßt dich der Tod!“
    „Der Tod?“ erwiderte Potomba lächelnd. „Hat er mich gefaßt, als du mich verfolgtest, um mir mein Leben und mein Eigentum zu rauben? Ihr Hunderte von

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