33 - Am Stillen Ozean
Der Ehri
Potomba
Ein heiterer, wolkenloser Himmel breitete sich über uns aus; aber das strahlende Licht der Sonne vermochte die finsteren Schatten nicht zu verscheuchen, welche auf den Zügen der wackeren Seeleute lagen, die mit mir um das lodernde Feuer saßen, an welchem wir unser Mittagsmahl bereiteten.
Vor uns lag der niedrige Strand, von drei scharfen, gefährlichen Korallenringen umgeben, außerhalb deren die See ihre weiten, glänzenden Wogen wälzte, während zwischen ihnen und der Küste das Wasser so unbewegt lag, als habe nie ein Sturm in diesen sonnendurchglühten Breiten getobt. Hinter uns stieg das Land zur Höhe, hier und da von grünen Eukalyptussträuchern, dichten Melaleuceen (Teebäumen) und Gruppen von Callitriskoniferen bestanden, unter und zwischen denen zahlreiche Akazia- und andere feinstielige Leguminosen-Arten eine dichte Bodenbekleidung bildeten. Auf dem höchsten Punkt der Insel stand Bob, der Zimmermann, denn an ihn war die Reihe, mit dem Fernrohr unausgesetzt den Horizont abzusuchen nach irgendeiner Art von Segel, welches uns Befreiung aus unserer nichts weniger als angenehmen Lage bringen konnte.
Wir hatten mit unserm guten Dreimaster ‚Poseidon‘ vor nunmehr sechs Wochen Valparaíso verlassen, um nach Hongkong zu segeln, in kurzer Zeit die sehr befahrenen Linien nach Callao, Guayaquil, Panama und Acapulco durchschnitten und waren dann in schneller, glücklicher Fahrt vor einem steifen Südostpassat immer scharf nach West gegangen, bis auf der ungefähren Höhe von Ducir und Elisabeth der Passat in einen Orkan umschlug, wie ich ihn von solcher Stärke und Unwiderstehlichkeit während meiner vielen Fahrten noch niemals erlebt hatte.
Wir waren gezwungen gewesen, alle Leinwand, außer dem Sturmsegel, einzuziehen, und dennoch hatte der ‚Poseidon‘ einen Spielball der empörten Wogen gebildet, der durch keine menschliche Einsicht, Kraft und Geschicklichkeit zu regieren gewesen war. Jetzt lag unser Dreimaster gestrandet draußen zwischen den verräterischen Korallenklippen; der Kutter war über Bord gerissen worden; die Schaluppe hatte bei unserer Landung ein unheilbares Leck bekommen, und das Langboot stak auf einem spitzen, haarscharfen Riff, welches sich wie ein malayischer Dolch in seinen Bug gebohrt hatte.
Die Brandung draußen riß Planke um Planke von dem Schiff, welches unrettbar verloren war, und wir hatten zwei Tage lang unter Anstrengung aller Kräfte arbeiten müssen, um von der Fracht und dem Proviant so viel zu bergen, als wir der gefräßigen See zu entreißen vermochten.
Nun war es mit der schweren Arbeit zu Ende, und wir saßen, wie bereits gesagt, zwischen großen Warenballen und Fässern um das Feuer und bemühten uns, einer den andern an Düsterheit der Mienen zu übertreffen.
Seitwärts stand Kapitän Roberts und war bemüht, die Länge und Breite zu berechnen. Wir hatten seit früh wieder freien Himmel, und es konnte ihm also jetzt, da sämtliche astronomische und nautische Instrumente gerettet worden waren, nicht schwer werden, seine Aufgabe genau zu lösen.
„Nun, Käpt'n, seit Ihr fertig?“ fragte der Steuermann, indem er ein mächtiges Stück Salzfleisch vom Feuer nahm, um die Bratschärfe zu prüfen, die es erlangt hatte.
„Aye, aye, Maat; ich bin fertig!“ lautete die Antwort.
„Wo sind wir?“
„Wir sitzen anderthalb Grad nördlich vom Steinbock auf dem zweihundert-neununddreißigsten Grad östlich von Ferro.“
„Wollte, wir säßen daheim in Hoboken bei Mutter Grys und hätten einen festen Stuhl oder Schemel unter uns und ein Glas Steifen vor der Nase. Was meint Ihr wohl zu dieser Insel, Käpt'n? Wird ihr Name ausfindig zu machen sein?“
Der Kapitän neigte bedenklich den Kopf.
„Hier gibt es mehr Inseln als Pockennarben in Eurem Gesicht, und das ist ziemlich viel gesagt, wie Ihr wohl wißt, Maat. Habt Ihr für jede Narbe gleich den richtigen Namen bei der Hand?“
Der Steuermann bemühte sich, das Kompliment, welches der Vergleich für ihn enthielt, mit einem allerdings sehr sauren Lächeln zu erwidern.
„Habe noch nie daran gedacht, meine ehrliche Physiognomie zu benamsen, Käpt'n. Aber wenn dieses unglückselige Stück Koralle hier noch keinen Namen hat, so sind wir wahrhaftig gezwungen, ihm einen zu geben. Ich schlage vor, wir heißen das Eiland Maatpockeninsel!“
Er schien seinen Witz für außerordentlich geistreich zu halten, denn die Gesichtssäure verschwand, und neben dem riesigen Stück Kautabak, welches er im Mund
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