330 - Fremdwelt
hungrigen Eindruck. Nun riss sie ihr Raubtiergebiss auf und stimmte ein Gebrüll an, das ihm durch Mark und Bein ging.
Xij Hamlet griff über ihre Schulter, um den Kampfstab aus der Rückenschlaufe zu reißen. Matt sparte es sich, die Laserpistole zu ziehen. Was hätte er damit tun können? Sie der Bestie ins Maul stopfen?
In diesem Moment sprang das Raubtier ab.
Es brach mit solcher Kraft und so schnell durch die Zweige, dass Xij ihren Stab nicht mehr in Stellung bringen konnte. Matt spürte noch, wie sie sich gegen ihn warf – und dann stürzte er auch schon. Aus den Augenwinkeln sah er neben sich Xij durchs Blattwerk hindurch dem Dschungelboden entgegenfallen.
Instinktiv griff er ins Geäst, fand irgendwo Halt, zog sich hoch, schwang sich auf einen Ast. Xij krachte irgendwo unter ihm ins Gestrüpp.
Der Jaguar lag geduckt auf dem Ast, auf dem Xij und Matt eben noch gestanden hatten; einen Schritt vor dem Stamm, an den sie eben noch gelehnt hatten – und immer noch lehnen würden, hätte Xij nicht so entschlossen gehandelt.
Der Jaguar fauchte wütend, blickte zu Matt herunter, sprang erneut ab. Matthew drückte sich ins Laub, klammerte sich an seinem Ast fest und ließ sich herumkippen, sodass er mit dem Rücken nach unten hing.
Nur um eine Handbreit verfehlte ihn das Raubtier, brach durch die Zweige und stürzte ins Unterholz. Danach herrschte einen Atemzug lang Ruhe: kein Gebrüll mehr, kein Splittern von Ästen, kein Rascheln von Laub, nichts.
Matt hangelte sich zurück auf seinen Ast, spähte durch die Laublücken zum Waldboden hinunter. Keine drei Schritte neben Xij lag der Jaguar im Gestrüpp: verzerrt, langgestreckt, massig und – zuckend.
Matt verstand überhaupt nichts mehr, sah genauer hin. Der Jaguar streckte sich, ein Zittern lief durch seinen verzerrten Schwanz. Xij Hamlet richtete sich auf, tastete nach ihrem Stab, stemmte ihn in den Waldboden und zog sich daran nach oben. Der Jaguar jedoch rührte sich nun gar nicht mehr. Und jetzt entdeckte Matt den langen Pfeil: Er ragte zwischen Hals und Vorderflanke aus dem gefleckten Körper der Raubkatze. Kein Zweifel: Es war ein langer, rot und grün gefiederter Pfeil. Wer hatte ihn abgeschossen? Die Metallos sicher nicht.
»Bist du in Ordnung, Xij?« Matt schwang sich auf den Ast, der unter ihm verlief, kletterte von dort aus noch tiefer und sprang schließlich auf den Boden. Xij winkte ab, strich sich das Haar aus der Stirn, spuckte aus.
Dann hörten sie beide die Stimmen und das Rascheln. Zweibeinige Wesen staksten zwischen den Baumstämmen heran und winkten, eines verzerrter als das andere. Matt kam sich vor wie in einem Fiebertraum. Xij fasste ihren Stab fester und drängte sich an seine Seite.
»O Gott … sind das Menschen?«, entfuhr es ihr.
Matt Drax betrachtete die Wesen genauer. »Möglich. Schwer zu sagen. Jedenfalls scheinen sie uns wohlgesonnen.«
»Hoffen wir es«, gab Xij zurück. »Da kommen nämlich noch mehr!«
Zu siebt stapften sie durch das Unterholz heran. Gefährlich sahen sie eigentlich gar nicht aus, eher unheimlich, aber das richtig: Die Gesichter schief, die Glieder verkrümmt, die Körper missgestaltet und um schiefe Münder und verzogene Augen ein Ausdruck, von dem Matt nicht hätte sagen können, ob er Schrecken oder Wut oder einfach nur Schwachsinn bedeutete.
Allen hing langes, blau-schwarzes Haar weit über die Schultern; alle trugen kurze Fellhosen und mit bunten Federn geschmückte Jacken oder Westen auf nackter, stark behaarter Haut. Die meisten Hälse und Brüste schmückten Raubtierzähne, Schnitzereien aus Knochen oder bunt gefiederte Amulette aus schwarzem Holz. Einem weiblichen Wesen baumelte eine Fischgräte zwischen wahrhaft beängstigend verzerrten Brüsten. Aus dem Schädel des Fisches ragten weiße Zähne. Die Jagdbogen, Äxte und Speere, die sie trugen, schienen einigermaßen gerade zu sein.
Nach und nach erst vermochte Matts Hirn die Wahrnehmung der verzerrten Wesen wenigstens ansatzweise mit vergangenen Erfahrungen abzugleichen, und er begriff, was sie vor sich hatten: Indios auf der Jagd.
Einer überragte alle anderen und stapfte ihnen voraus durch das Unterholz. Er hielt direkt auf Matt und Xij zu, winkte und verzerrte seine dunkelbraune Miene zu einem vergnügten Feixen. Oder zu einer hasserfüllten Grimasse? Matthew konnte es beim besten Willen nicht unterscheiden. Der Schiefhals überragte auch ihn selbst um gut zwei Köpfe, und er schien bald doppelt so breit zu sein wie er. Bei Xij und
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