34 Kurz-Krimis (German Edition)
können, andererseits schien ihm die Art und Weise, in der Bernt Jäger die Leitung des Geschäfts ausführte, einigen Anlaß zur Kritik zu bieten.
Jäger wollte den Betrieb gründlich umkrempeln, aber das ging Heinrichs gegen den Strich. Zu Jägers Mißvergnügen mischte er sich immer wieder in die Geschäftsleitung ein, blockierte die meisten Neuerungen und sorgte dafür, daß alles blieb wie es war. Er kann es einfach nicht lassen, weiterhin auf der Kommandobrücke zu stehen! überlegte Jäger, während sie zusammen am Seeufer standen. Und dabei waren nach Jägers Ansicht dringend einige Neuerungen notwendig. Man mußte mit der Zeit gehen. Die Rezepte von Vorgestern konnten ein Geschäft nicht bis in alle Ewigkeit am Leben halten. Es mußte etwas geschehen!
Es wäre nicht schlecht, wenn sich das Problem auf biologische Weise von selbst lösen würde! hatte Jäger schon oft gedacht. Nicht mehr lange und Heinrichs würde die Siebzig erreichen! Auch er konnte nicht ewig leben, aber für Jäger stellte sich mehr und mehr die Frage, ob Heinrichs früh genug von der Bühne abtreten würde, so daß der Betrieb nicht in der Zwischenzeit völlig ruiniert war... Leider ist der Alte noch ziemlich rüstig! überlegte Jäger.
"Da hinten!" rief Heinrichs und deutete in die Ferne. "Da hinten ist wieder einer umgekippt!" Er schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht, wollen wir bei diesem Wetter wirklich raus?" "Klar! Schließlich sind wir hergekommen, weil ich dir mein neues Boot vorführen wollte. Der Wind ist völlig in Ordnung, etwas böig zwar, aber ich bin ja nun weiß Gott kein Anfänger!" Er wandte sich mit einem Grinsen an Heinrichs, das eine Spur zu kalt und unverschämt war. "Du hast doch nicht etwa Angst, oder?" Das saß. Heinrichs` Gesicht veränderte sich, die Mundwinkel krampften sich etwas zusammen, als er zu einer schwachen Erwiderung ansetzte.
"Angst? Nein, natürlich nicht..." Natürlich hat er Angst! wußte Jäger.
Aber das wäre das Letzte gewesen, was Heinrichs öffentlich eingestanden hätte! Jäger nickte zufrieden. Heinrichs würde mitfahren, er hatte ihn an der richtigen Stelle erwischt. Jäger machte das Boot fertig, eine sportliche Jolle, die einen ziemlich kippeligen Eindruck machte. Heinrichs stand stumm am Ufer und sah seinem Schwiegersohn dabei zu, wie dieser das Segel hochzuziehen versuchte.
Bei diesem Wind war das nicht ganz einfach, zumal wenn man niemanden hatte, der einem behilflich war. Aber schließlich hatte er es geschafft. "Komm an Bord!" rief Jäger. Heinrichs stellte sich etwas ungeschickt an, aber dann saß er doch mit Jäger in einem Boot und klammerte sich mit verzweifelter Miene an einem der Drahtseile fest, die den Mast hielten. Sie entfernten sich vom Ufer.
Das Boot legte sich schief und sie beide mußten mit ihrem Gewicht dagegen halten. Die Gischt spritzte sie naß, das Boot stieg aus dem Wasser heraus und begann zu gleiten. Heinrichs` Gesicht war kreidebleich geworden. Außer ihnen waren nur noch ein anderer Segler und einige Surfer auf dem Wasser, aber von denen entfernten sie sich zusehends, bis sie zu kleinen, unscheinbaren Punkten am Horizont wurden. Jäger schaute sich um. Auf dem Wasser waren Entfernungen schwer zu schätzen, aber sie waren inzwischen wohl schon so weit vom Ufer entfernt, daß sich selbst ein guter Schwimmer kaum zutrauen konnte, schwimmend das Land zu erreichen. Eine Gelegenheit wie diese kommt nicht wieder! dachte Jäger.
Anstatt - wie üblich - das Boot in den Wind zu drehen, um zu wenden, drehte er diesmal mit dem Wind. Jäger wußte, was nun passieren würde und konnte sich daher rechtzeitig ducken, als das Segel plötzlich herumschlug.
Der Baum traf Heinrichs hart am Kopf und schleuderte ihn über Bord.
*
"Sie haben sich verletzt?" fragte der Kriminalbeamte. Jäger winkte ab.
"Ein paar Kratzer, weiter nichts." Er machte eine hilflose Geste. "Ich nehme an, Ihre Untersuchung hat inzwischen ergeben, daß alles so gewesen ist, wie ich es Ihnen geschildert habe!" "Ihr Schwiegervater hat den Mastbaum gegen den Kopf bekommen, wurde ins Wasser geschleudert und ist dort ertrunken - ja, bis dahin war alles so, wie Sie es uns geschildert haben, Herr Jäger!" "Ein schrecklicher Unfall!" Jäger machte eine theatralische Bewegung, die jedoch etwas aufgesetzt wirkte. "Er war kein geübter Segler, ich hätte ihn bei dem Wetter nicht mit hinaus nehmen dürfen! Ich habe noch versucht, ihn zu retten..." "Sie sind also zu Ihrem im Wasser treibenden
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