35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
so scharf wie derjenige einer Lokomotive.
„Himmel!“ rief Unica aus. „Unsere Krieger kommen!“
„War das ihr Zeichen?“
„Ja. So klingt die große Signalpfeife, welche der Onkel gebaut hat, damit wir uns in größerer Ferne verständlich machen können. Hören Sie!“
Das Signal ertönte noch einmal, und dann erhob sich unten im Dorf ein hundertstimmiger Jubel, welcher sich von uns fortzog.
„Sie eilen den Heimkehrenden entgegen“, erklärte Unica.
„Müssen Sie nicht dabei sein?“
„Eigentlich ja. Aber da Sie –“
„Bitte“, unterbrach ich sie. „Die Königin muß bei den Ihrigen sein. Gehen Sie schnell!“
„Nur wenn Sie mich begleiten!“
„Gut. Nehmen Sie Ihren gewohnten Weg. Ich schwinge mich da am Seil des Kranes hinab.“
„Herr, das ist zu waghalsig!“ warnte sie besorgt.
„O nein. Ich habe es heute bereits zweimal versucht. Haben Sie keine Angst um mich!“
Sie ging, und ich turnte mich in der bereits beschriebenen Weise hinab, wo ich sie erwartete. Dann gingen wir eiligen Schrittes nach dem Wasser, wo wir sahen, daß alles, alles auf den Beinen war. Sogar kleine Kinder wackelten und watschelten so schnell, wie die Beinchen es vermochten, am Ufer hin und schrien und quiekten einander jubelnd zu. Es ging weiter und weiter am Wasser entlang, aber einen Erwachsenen zu überholen vermochten wir nicht. Unica als ‚Dame‘ und Königin konnte natürlich nicht so rennen wie die anderen. Nach ungefähr zehn Minuten hörten wir einen unbeschreiblichen Lärm, welcher uns entgegenkam, und dann erblickten wir die zurückkehrenden siegreichen Krieger, welche zu meiner großen Freude alle beritten waren. Nun gab es für mich die Hoffnung, endlich wieder zu einem Pferd zu gelangen.
Kaum wurden wir gesehen, so verdoppelte sich der Jubel, und der Zug hielt an, die Königin zu erwarten. Ich blieb an ihrer Seite, und so wurden mir alle Ehren, die man ihr entgegenbrachte, auch mit zuteil.
Ein alter Krieger, der Häuptling des Dorfes, wie Unica mir erklärte, stieg vom Pferd, und die anderen folgten seinem Beispiel. Er trat auf die Königin zu und hielt ihr eine längere Rede, von welcher ich freilich kein Wort verstand. Dann hielt auch sie eine Rede mit laut erhobener Stimme, so daß alle sie verstehen konnten.
Jedenfalls hatte er ihr Bericht erstattet, und nun erzählte sie, was während der Abwesenheit der Männer geschehen war. Dabei schien sie auch mich zu erwähnen, denn die Augen der Krieger richteten sich mehrere Male auf mich. Nach Schluß der Rede wurde der Königin und mir je ein Pferd gebracht; wir stiegen auf, und der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Voran schritt ein baumlanger Kerl, welcher ein noch längeres Bambusrohr in beiden Armen trug. Das war das Signalhorn. Neben ihm stand der unvermeidliche Trommler. Hinter diesen beiden kam die weitere philharmonisch angelegte Menschheit mit verschiedenen Instrumenten. Dieser Truppe folgte ich mit der Königin, und hinter uns zogen die Reiter einher, zu beiden Seiten begleitet von dem Ameisengewirr der Ziviluntertanen ihrer Majestät.
Da spitzte der Signalist den Mund, formierte mit demselben eine runde Öffnung, durch welche man beinahe einen Kinderkopf schieben konnte, legte diesen Lippenkreis an das ebenso große Loch seiner Bambusröhre und pustete aus Leibeskräften hinein. Es kam ein Ton heraus, der eine Elefantenherde zur schleunigsten Flucht bewegt hätte, und den man allerdings auf eine Entfernung von drei Viertelstunden hören konnte. Die sonstige Kapelle fiel sofort ein, daß mir angst und bang um das bißchen Generalbaß wurde, welches ich von früher her noch innehatte. Der Signalist aber setzte ab, holte tief Atem, drehte sich um und blickte mich an, um zu sehen, welchen Eindruck seine bambusrohrige Leistung auf mein empfängliches Gemüt hervorgebracht habe. Ich nickte ihm lächelnd zu, worüber er so in Entzücken geriet, daß er sofort mit dem Mund den erwähnten dunklen Krater abermals bildete und nun zu tuten begann, daß man hätte meinen mögen, die drei Elemente wälzten sich kunterbunt durcheinander in dem vierten, nämlich in der Luft herum. Vier oder fünf solche Signalisten hätten wohl eine Mauer umblasen können. Dazu heulten, brüllten und schrien die anderen aus allen Leibeskräften. Wir gelangten mit unerhörtem Sang und Klang in das Dorf und hielten auf dem ‚Marktplatz‘ an, wo der alte Desierto mit Pena uns erwartete.
Alle Reiter stiegen ab und stellten sich vor die Köpfe ihrer Pferde in
Weitere Kostenlose Bücher