35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
Reih und Glied. Es trat Stille ein, und der Häuptling nahm diese Gunst des Schicksals wahr, dem Alten militärischen Bericht zu erstatten. Als dieser zu Ende war, rief der letztere mir zu:
„Herr, ein großer und erfolgreicher Sieg! Die Chiriguanos sind so auf das Haupt geschlagen, daß wir gewiß länger als zehn Jahre Ruhe vor ihnen haben. Die Krieger, welche Sie hier erblicken, bilden noch nicht die Hälfte der ausgezogenen Schar. Die Fehlenden sind noch weit zurück mit den Herden und sonstigen Dingen, welche wir erbeutet haben. Ich werde verkündigen, daß heute ein großer Siegesschmaus gegeben wird.“
Er tat das, und die Folge war ein wahrer Orkan oder vielmehr eine sich immer um sich selbst drehende Windhose von Jubelstimmen. Über alle aber tönte das Signalhorn, was ich am besten beurteilen konnte, da der freundliche Musikus sich gerade neben mich gestellt hatte, um mir die zauberhafte Süßigkeit seiner Musenklänge aus erster Hand zukommen zu lassen. Er pustete und blies, daß ihm die Backen platzen wollten, und hielt dabei sein Auge auf mein Gesicht geheftet. Ich nickte ihm unausgesetzt meine Bewunderung zu. Er erkannte, daß er in mir eine quarten- und quintenverwandte Seele gefunden hatte und geriet vor Freude darüber so in Ekstase, daß ich mich schließlich abwenden mußte, aus purer Angst, daß er sich die Haut vom Körper losblasen und dann mitsamt der Pfeife als Luftballon in die Wolken gehen werde. Glücklicherweise wurde ich bald von anderer Seite in Anspruch genommen. Mehrere Männer drängten sich durch die Menge bis zu dem Desierto, dem sie dann eine Meldung zu machen schienen. Er kam auf mich zu und benachrichtigte mich:
„Herr, soeben kommen die Kundschafter zurück; ihr Gang ist nicht vergeblich gewesen. Sie haben die Mbocovis gesehen.“
„Wo?“
„Als sie sechs Stunden lang gelaufen waren, haben sie die heranziehenden Feinde bemerkt. Sie versteckten sich hinter einige Büsche, um sie zu beobachten. Sie waren zu Fuß, hatten aber einige Reiter bei sich.“
„Das sind die Pferde, die sie von uns erbeutet haben. Hoffentlich bekommen wir sie wieder. Leider werden ihre Kundschafter sich nicht so weit hinangewagt haben, um das zu sehen, was zu erfahren mir wünschenswert ist.“
„Was wollen Sie wissen?“
„Ob Weiße dabei sind.“
„Einer ist gesehen worden.“
„Wie war seine Gestalt?“
„Lang und hager.“
„So ist's der Sendador, und ich bin befriedigt. Diesesmal soll er mir wohl nicht wieder entkommen!“
„Was werden wir tun?“
„Ich sehe, daß wir den Mbocovis an Zahl nicht ganz gleich stehen, an Waffen ihnen aber überlegen sind.“
„Das sind wir gewiß. Es ist meine größte Sorge gewesen, meine Roten mit Feuergewehren zu versehen; die tragen vier- und fünfmal weiter als der beste Bogen. Meinen Sie wirklich, daß die Mbocovis sich an der Stelle lagern werden, nach welcher Sie gestern der Yerno brachte?“
„Ich glaube es.“
„Und wollen wir sie dort überfallen?“
„Ja, bei Tagesanbruch, damit wir sehen können; in der Dunkelheit könnten viele, vielleicht gar der Sendador selbst, entkommen.“
„So haben wir noch viel Zeit und brauchen unsere Siegesfreude nicht zu beeinträchtigen.“
„O bitte! Mit dem Jubel muß es unbedingt ein Ende haben. Ich halte es für möglich, daß die Mbocovis, sobald sie am Rendezvous angekommen sind, einen oder mehrere Kundschafter aussenden, welche das Dorf umschleichen sollen. Vielleicht unternimmt gar der Sendador es selbst, dies zu tun. Da muß vollständige Stille herrschen, damit der Feind nicht weiß, woran er ist. Ferner dürfen nur die Krieger in Tätigkeit treten; sie allein bleiben hier im Dorf. Die anderen alle müssen schon jetzt am Tag hinüber auf die Inseln und sich dort so ruhig und versteckt halten, daß niemand sie beobachten kann. Auch sämtliche Pferde werden hinübergeschafft.“
„Die Pferde? Ich denke, daß wir sie zur Verfolgung sehr nötig haben werden.“
„Eine Verfolgung wird es gar nicht geben; wenn wir es richtig machen, kann kein einziger entkommen.“
„Was verstehen Sie unter diesem richtig?“
„Sobald es dunkel geworden ist, gehe ich rekognoszieren, um zu sehen, ob die Mbocovis schon da sind. Ist dies der Fall, so marschieren wir später hinaus und umzingeln das Lager. Dann warten wir, bis der Tag anbricht. Wir nehmen solche Distanz, daß uns kein vergifteter Pfeil erreichen kann, während unsere Kugeln an ihr Ziel gelangen. Dann will ich sehen, wie der Sendador
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