35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
es anfangen will, zu entkommen.“
„Er wird einen Massenausfall gegen einen bestimmten Punkt unternehmen. Wir stehen zu ausgebreitet und vereinzelt, und so muß es ihm gelingen, sich durchzuschlagen.“
„Pah! Das Terrain, über welches wir uns auszubreiten haben, ist nicht groß. Wir haben einen Ring zu schließen, dessen Durchmesser kaum tausend Schritte beträgt. Übrigens stellen wir uns auch nicht etwa einzeln, sondern in Trupps auf. Die Zwischenräume zwischen diesen Trupps können von beiden Seiten mit Kugeln bestrichen werden. Und sollte ja ein Durchbruch versucht und irgendein bestimmter Punkt unseres Kreises bedroht werden, so sind in Zeit von einer Minute die Kameraden von den anderen Punkten so nahe herbeigeeilt, daß ihre Kugeln in den Feind schlagen. Zu einem Durchbruch kann es gar nicht kommen, wenn wir jeden einzelnen Feind, der sich auch nur eine Sekunde lang außerhalb des Gebüsches sehen läßt, sofort niederschießen. Was sind Ihre Roten für Schützen?“
„Ich bin sehr zufrieden. Jeder kennt sein Gewehr genau.“
„Dann habe ich keine Sorge, falls Sie Munition genug besitzen.“
„Die ist da. Ich bin für Monate mit allem Nötigen versehen.“
„So muß es gelingen. Die Hauptsache ist, daß wir das Lager der Mbocovis umschließen, ohne daß sie es bemerken. Das übrige ist dann Leichtigkeit. Entkommen soll mir keiner!“
„Aber die Mbocovis haben auch Gewehre, nämlich die, welche Ihren Gefährten abgenommen worden sind!“
„Das sind nur wenige, und es fragt sich sehr, ob diese Roten mit einer Flinte umzugehen verstehen. Also führen Sie meine Vorschläge aus, und zwar so schnell wie möglich! Ich werde mit Pena hinaus in die Pampa gehen, um zu versuchen, ob wir das Nahen der Feinde bemerken können.“
Ich rief Pena zu mir. Wir stiegen auf den Felsen, um unsere Waffen zu holen, und schritten dann dem vermutlichen Lagerplatz der Mbocovis zu, ohne uns um das im Dorf herrschende lebhafte Treiben weiter zu bekümmern. Die Stiefel freilich zogen wir aus, damit etwaige Kundschafter nicht etwa aus unseren Spuren erraten sollten, daß Weiße anwesend seien. Als wir die Büsche zu Gesicht bekamen, näherten wir uns denselben mit der größten Vorsicht. Doch war sie in diesem Fall überflüssig, denn es befand sich kein Mensch an diesem Ort. Wir beschlossen also, weiterzugehen.
Die Spuren, welche die Mbocovis gestern gemacht hatten, waren noch so deutlich, daß nur ein nordischer Präriejäger unsere heutigen von denselben hätte unterscheiden können. Darum brauchten wir uns keine große Mühe zu geben, keine Fährte zurückzulassen. Übrigens sorgte der erwartete Feind dafür, daß er die letztere, selbst wenn sie von ihm bemerkt worden wäre, nicht bis zu ihrem Ausgangspunkt hätte verfolgen können, denn er hatte seine Annäherung so eingerichtet, daß er den Lagerplatz gerade mit der hereinbrechenden Dunkelheit erreichen mußte.
Als wir nämlich die Mbocovis erblickten, war es ungefähr drei Stunden vor Sonnenuntergang, gerade so viel Zeit, wie sie brauchten, um an den angegebenen Ort zu gelangen. Wie viele ihrer waren, konnten wir nicht zählen, da sie im Gänsemarsch hintereinander marschierten, voran die Reiter und hinter ihnen die Fußgänger, so daß einer den anderen deckte.
Ich sah durch das Fernrohr des alten Desierto, welches ich mitgenommen hatte. Es war also anzunehmen, daß der Feind uns nicht gesehen habe. Wir kehrten schleunigst um, gingen bis an den Lagerplatz zurück und noch so weit über denselben hinaus, als das Fernrohr den Blick zu tragen vermochte. Dort legten wir uns nieder, um die Ankunft der Mbocovis zu erwarten. Nachdem eine halbe Stunde vergangen war, kamen sie. Es dunkelte schon stark; aber wir sahen doch, daß sie nach dem Gebüsch lenkten und in und hinter demselben verschwanden.
„Es ist richtig“, meinte Pena. „Sie verbergen sich dort, ganz so, wie wir gedacht haben. Was tun wir nun? Kehren wir nach dem Dorf zurück?“
„Nur einer von uns. Der andere muß hierbleiben um zu beobachten, ob der Sendador vielleicht sofort Kundschafter nach der Lagune sendet. Der Dunkelheit wegen wird die Beobachtung leichter sein. Wäre es hell, so würden etwaige Späher einen Umweg machen, um nicht gesehen zu werden. Nun aber können sie die gerade und kürzeste Richtung einhalten, also die Linie, welche hier an uns vorüberführt. Wenn man still liegt und das Gehör anstrengt, so muß man unbedingt die Schritte eines Menschen hören, selbst wenn er einige
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