35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
keiner soll einen Begleiter mitbringen, und die Waffen seien auch zurückzulassen. Ich ging auf diesen Vorschlag ein und schritt gleich hinter dem Boten her, bis ich an der betreffenden Stelle anlangte. Meine Gefährten schienen sich zu ärgern, daß ich sie nicht um ihre Zustimmung gebeten hatte. Vielleicht dachten sie, daß ich gar die Absicht hege, ein Übereinkommen abzuschließen, ohne sie vorher um Rat und Genehmigung gefragt zu haben, denn ich vernahm ihre unwilligen Stimmen, und dann rief Pena mir zu:
„Señor, wir wollen Ihnen noch eine Frage vorlegen.“
„Dazu ist später Zeit“, antwortete ich ihm.
„Nein; wir müssen wissen, was Sie vorhaben.“
„Das werde ich Ihnen später mitteilen. Ich werde auf keinen Fall etwas unternehmen, ohne ihre Zustimmung geholt zu haben. Übrigens, wenn Sie Mißtrauen in mich setzen, so kommen Sie selbst, um an meiner Stelle mit dem Sendador zu sprechen!“
„Alle Wetter! Das fällt mir freilich nicht ein. Nein, bleiben Sie nur dort!“
Ich fand keine Zeit, mich über das mir gezeigte Mißtrauen zu ärgern; denn jetzt kam der Sendador auf mich zu. Es war ein eigenes Gefühl, welches ich empfand, als ich diesen Mann hier nun abermals erblickte, ein abgehetzter, dem Tod geweihter Verbrecher, welcher bei Gott keine Gnade sucht und bei den Menschen keine findet.
Er trug den rechten Arm in einer improvisierten Binde. Als er vor mir stehenblieb, blickte er mir mit scharfen, finsteren Augen in das Gesicht, als ob er mein Inneres ganz durchdringen wolle. Ich muß gestehen, daß es mir herzlich leid um ihn tat. Was hätte dieser Mann bei seinen hohen Gaben, wenn er auf dem rechten Weg geblieben wäre, sein können, und was war er geworden, da sein Fuß die Irrwege des Verbrechens betreten hatte! Bei den Verhältnissen des Landes, in welchem er lebte, hätte er es zu hohen Ehrenstellen bringen können; nun aber stand er vor mir als ein ebenso gehaßter wie gefürchteter Verbrecher, dem keine Gnade gegeben werden sollte, welcher vielmehr dem baldigen und gewaltsamen Tod entgegenging. Es erfaßte mich eine unbeschreibliche, milde Regung. Wäre es jetzt auf mich angekommen, wahrhaftig, ich hätte ihn gegen das Versprechen der Besserung laufen lassen.
„Da haben wir uns ja wieder“, sagte er mit ungewisser Stimme und indem er zu lächeln versuchte, aber nur eine krampfhafte Verzerrung des Gesichtes hervorbrachte. „Die Verhältnisse sind genau dieselben. Werden wir auch wieder so glatt und schnell auseinanderkommen?“
„Schwerlich, denn die Verhältnisse sind nicht dieselben, sondern ganz andere. Als wir uns das letztemal sahen, befand ich mich in Ihren Händen; jetzt aber sind Sie in meiner Gewalt.“
„Noch nicht.“
„Gewiß! Wenn Sie es noch bezweifeln sollten, so blicken Sie um sich. Sie sind mit Ihren Leuten von uns eingeschlossen.“
„Allein, wir werden uns wehren, bis zum letzten Mann sogar!“
„Welchen Nutzen werden Sie davon haben? Keinen, nicht den mindesten. Sie müssen sich das eingestehen, wenn Sie es mir auch nicht zugeben.“
„Wir sind unser noch genug, um die Mehrzahl von Ihnen zu töten!“
„Selbst wenn ich Ihnen da Recht geben müßte, würden Sie gezwungen sein, einzugestehen, daß wenigstens eine Anzahl von uns sie alle überleben würde. Selbst in diesem Fall würde keiner von Ihnen entkommen.“
Er sah finster vor sich nieder und antwortete nicht; ich fuhr fort:
„Aber die Sache liegt ganz anders. Vergleichen Sie Ihre Worte und Ihre Waffen mit den meinigen!“
„Ihre Waffen haben wir zu fürchten; aber meine Chiriguanos sind ebenso tapfer wie Ihre Tobas.“
„Möglich, aber ich bezweifle es. Ich habe gar wohl bemerkt, daß Ihre Indianer sich weigern, den nutzlosen Kampf fortzusetzen; sie sehen ein, daß sie durch einen schnellen Friedensschluß nur gewinnen können, und ich habe dem Häuptling bereits gesagt, daß wir sie in diesem Fall ruhig ihres Weges ziehen lassen werden.“
„Das haben Sie gesagt?“ fragte er schnell. „Also darum riet dieser Rote zur Ergebung!“
„Hat er das getan? Nun, so sehen Sie, daß meine Voraussetzung die richtige ist. Sehen Sie meine Leute an! Ich brauche nur ein einziges Wort auszurufen, so krachen alle ihre Gewehre; diejenigen Ihrer Roten, welche da nicht getroffen werden, wird die zweite Salve wegfegen, ohne daß Sie Zeit zum Schießen gefunden haben. Ich bin überzeugt, daß kein einziger Toba verwundet oder gar getötet wird. Von meinen weißen Begleitern und mir selbst will ich
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