35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
nicht recht ist, so können Sie gehen, wohin Sie wollen, wie ich Ihnen schon einmal gesagt habe. Verstanden?“
„Und wenn ich aber dennoch bleibe und schieße?“ rief er mir mit zornig blitzenden Augen zu.
„So tue ich das, was ich schon einmal getan habe – ich schlage Sie zu Boden, aber etwas derber als damals. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich es tue. Ob Sie dann jemals wieder aufstehen werden, ist mir ganz egal, denn wer das Leben eines Chiriguanos nicht achtet und doch selbst ein Roter ist, der verdient auch den Atem nicht.“
Diese Drohung schien ihn eingeschüchtert zu haben, denn er antwortete nicht. Ich konnte mir aber nicht verheimlichen, daß die Mehrzahl meiner Kameraden im stillen seiner Meinung war, wie ich aus ihren Blicken ersah und ihrem leisen, heimlich sein sollenden Flüstern entnahm. Einer aber war einverstanden, der Bruder. Er drückte mir die Hand und sagte:
„Recht so! Es ist zwar nicht weltlich klug gehandelt, aber das Gewissen befiehlt es so. Wir kommen trotz der Nachsicht, die wir üben, doch zum Zweck.“
„Zumal bei all dieser Rederei nun die richtige Zeit zum Angriff verflossen ist. Die Roten sind mitsamt dem Sendador verschwunden.“
„Werden aber sehr bald wiederkommen.“
Der Sendador befand sich jetzt mit allen seinen Leuten zwischen den Felsenböschungen des Saumweges. Sogar den von Gomarra getroffenen Indianer hatte man mitgenommen. Wir rückten zusammen nach. Da krachten Schüsse, welche genauso klangen, als ob sie im Inneren des Berges abgefeuert worden seien. Darauf erscholl ein wildes Geheul, und Schüsse antworteten darauf.
„Es wird Ernst!“ sagte der Bruder. „Unsere Tobas sollten doch erst einmal blind feuern?“
„Ja. Die zweite Salve hat jedenfalls Opfer gekostet; die Chiriguanos haben sich nicht aufhalten lassen wollen.“
„Werden sie zurückgedrängt, so nehmen wir sie auf uns. Dann ist das Blutvergießen nicht zu vermeiden.“
„Vielleicht doch. Ich habe bisher den Sendador geschont. Nun aber werde ich ihm eine Wunde geben, die ihn kampfunfähig macht. Das wird die Chiriguanos so erschrecken, daß sie sich ergeben und er kann uns nun auch nicht mehr entkommen.“
Die Schüsse der Tobas krachten noch immer von oben herab, und das Kampfgeschrei war noch nicht verstummt, ja, es schien ärger als vorher zu werden. Dann gab es ein entsetzliches Gebrüll, auf welches plötzliche Stille eintrat. Unsere Leute hatten nun die Stelle erreicht, wo der Saumpfad aus dem Freien in den Felsen trat; da flog ihnen eine ganze Wolke von Pfeilen entgegen, so daß sie schnell zurückweichen mußten, um sich zu decken.
„Hab's gedacht!“ murrte Pena, indem er sich eine Pfeilspitze aus dem Unterschenkel zog. „Nur um Gottes willen ja keinen Tropfen Feindesblut vergießen; das unserige aber mag fließen!“
„Wer ist schuld daran?“ fragte ich. „Wer heißt Ihnen denn, sich den Pfeilen auszusetzen? Sie wollten sich von mir nichts mehr sagen lassen und haben auf eigene Faust gehandelt. Nun brummen Sie nur nicht etwa mich an, da Sie von einem Spitzchen geritzt worden sind!“
„Spitzchen? Geritzt? Da hört sich doch alles auf! Ein Glück nur, daß diese Pfeile nicht vergiftet sind! Wie wollen Sie denn übrigens die Roten überwältigen, wenn Sie sie nicht angreifen?“
„Das sollen Sie sofort sehen.“
„Bin neugierig!“
Unweit des Ufers lag ein Felsenstück von nicht unbedeutender Größe. Ich winkte den Steuermann zu mir, und er half mir den Stein bis zum Eingang des Saumpfades wälzen. Zwischen der Felswand und dem Stein blieb eine Lücke, groß genug, um den Lauf eines Gewehrs hindurchzustrecken.
Dann legte ich mich zur Erde, nahm den Stutzen und kroch bis zu der Lücke. Sie erlaubte mir, den unteren Teil des aufwärts steigenden Weges überblicken zu können, ohne getroffen zu werden.
Da standen rechts und links an die Wände gelehnt, die Chiriguanos, die Pfeile schußbereit in den Händen, sobald sich einer von uns unten sehen lassen werde. Andere schossen unausgesetzt nach dem Stein, hinter welchem ich steckte und dessen Zweck sie leicht errieten. Weiter oben stand der Sendador und redet lebhaft in einen Roten hinein, welcher besorgt auf die Männer deutete, welche von dort herabkamen. Mehrere von ihnen waren verwundet; auch zwei Tote brachte man getragen. Man sah es den verschiedenen Gesten und den Gesichtern der beiden Sprechenden an, daß sie sehr verschiedener Meinung seien. Der Rote riet jedenfalls zum Abbruch des Kampfes, während der
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