35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
Sendador die Fortsetzung desselben verlangte.
Ich beschloß, der Meinung des ersteren Nachdruck zu verleihen, und legte meinen Stutzen auf den Sendador an. Die Kugel desselben war klein, während diejenige des Bärentöters nicht nur eine größere Wunde gerissen, sondern vielleicht auch noch den Knochen zerschmettert hätte. Der Sendador war dem Tod geweiht, das wußte ich, aber nicht ich wollte derjenige sein, der das Blut dieses Mannes auf seine Seele nahm.
Ich zielte sehr genau und länger als gewöhnlich auf den rechten Oberarm, welchen er heftig bewegte; ich wollte ihn nur in den rechten treffen, um ihn kampfunfähig zu machen; eine Verwundung des linken Armes hätte diese Folge wohl nicht gehabt. Jetzt hielt er ihn drohend empor, und ich drückte ab. Der Arm sank nieder, und der Sendador stieß einen Schrei aus. Er befühlte das verwundete Glied mit der linken Hand, wendete sich dann abwärts, richtete einen grimmigen Blick nach dem Stein und schrie mit solcher Stimme, daß ich trotz der Entfernung jedes Wort verstand:
„Hund, ich weiß, wer geschossen hat. Sei verflucht, deutsche Kanaille!“
Das war sehr unklug von ihm. Er mußte doch erkennen, daß der Sieg von ihm nun unmöglich zu erreichen sei; indem er mich beleidigte, verschlimmerte er doch nur seine Lage.
Er schien ins Wanken zu kommen. Zwei Indianer faßten ihn und führten ihn fort, nach einer Stelle, wo ich ihn nicht mehr sehen konnte. Der Rote, welcher mit ihm gesprochen hatte, verschwand mit ihm, kehrte aber schon nach kurzer Zeit zurück. Es versammelten sich andere um ihn, welche sich lebhaft mit ihm unterhielten. Dann band einer von ihnen ein Tuch an die Spitze seiner Lanze und kam, diese improvisierte Friedensfahne schwingend, langsam den Saumpfad herab.
Ich sah aus den Bewegungen seiner Hände und aus seinem Mienenspiel, daß er den rechts- und linkspostierten Indianern das Schießen verbot. Darum erhob ich mich hinter meinen Stein, trat in die Mitte des Weges und erwartete den Parlamentär. Meine Gefährten kamen auch herbei. Der Kampf ruhte für jetzt. Als der Mann herbeigekommen war, verbeugte er sich ungelenk und sagte in sehr gebrochenem Spanisch:
„Señores, der Häuptling sendet mich. Wenn ihr ihn um Frieden bittet, wird er Euch denselben vielleicht gewähren.“
Die erste Antwort, welche er erhielt, war ein allgemeines, laut schallendes Gelächter. Ich war der einzige, der mit Mühe seinen Ernst zu wahren vermochte. Der Bote wurde hochverlegen, hatte aber nicht anders sprechen können, als ihm befohlen worden war. Darum antwortete ich, als das Lachen so ziemlich verschollen war:
„Geh, um deinem Häuptling zu sagen, daß, wenn er, nämlich er, nicht sofort um Gnade bittet, meine Leute von oben herab und von hier unten hinauf, euch zusammendrängen und wie ein Nest voller Mäuse zerstören werden!“
„Señor, Sie sind wohl – – –“
„Geh, geh!“ wehrte ich seine Rede ab. „Ich habe dir gesagt, was ich verlange, ich mag kein weiteres Wort hören. Ich schieße gern, spreche aber wenig!“
Das schüchterte ihn so ein, daß er sich schleunigst entfernte.
„Wir haben durch die Ankunft dieses Parlamentärs viel gewonnen“, bemerkte ich.
„Möchte wissen, was“, brummte Pena mißmutig.
„Nun, stehen wir nicht unbelästigt hier, und vermögen wir nicht mit unseren Gewehren den Pfad zu bestreichen? Das konnten wir vorher nicht. Legt nur eure Flinten an die Wangen. Das wird meine Antwort bedeutend unterstützen.“
Der Parlamentär kam bei dem oben stehenden Häuptling an und sagte ihm meine Worte. Der Anführer sah zu uns nieder und erblickte die Mündungen der vielen auf seine Roten gerichteten Gewehre. Das machte ihn so bestürzt, daß er schnell hinter der Krümmung des Saumpfades verschwand, jedenfalls um mit dem dort befindlichen Sendador zu sprechen. Er kehrte erst nach längerer Zeit zurück, erteilte dem Boten neue Instruktionen und dieser kam wieder zu uns herab.
„Señor“, sagte er, „der Häuptling wünscht den Frieden, wenn Ihr uns alle ziehen laßt.“
„Auch den Sendador mit?“
„Ja.“
„Sage deinem Häuptling, daß wir Freunde der Chiriguanos sind. Wir haben sechs eurer Wächter gefangen und bereits vieren von ihnen die Freiheit gegeben. Wir wollen nicht mit euch kämpfen; wir verlangen weder euer Leben, noch eure Freiheit oder euer Hab und Gut. Wir wollen jetzt und stets im Frieden mit euch leben, aber wir verlangen den Sendador ausgeliefert, damit er sich für alles, was er
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