35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
gar nicht sprechen. Es bleibt eben für Sie nichts übrig, als sich zu ergeben.“
„Und was haben Sie in diesem Fall in Beziehung auf mich beschlossen?“
„Noch nichts.“
Sein Blick senkte sich wieder zur Erde. Ich wartete, bis er sprechen werde. Er schien nach Auswegen zu suchen, aber keine zu finden. Wenn auch nicht gegen mich, gegen sich selbst aber mußte er aufrichtig sein und sich sagen, daß es für ihn keinen Ausweg gebe, wenigstens keinen, der mit Gewalt zu erzwingen war. Gab es je Rettung für ihn, so konnte er sie nur durch List erreichen. Das wußte ich ebenso gut wie er und nahm mir deshalb vor, mich nicht übertölpeln zu lassen. „Seien Sie also klug“, sagte ich, „und fügen Sie sich!“
„Um mich dann von Ihnen umbringen zu lassen! Ich danke! Hätte ich doch Sie niemals kennengelernt!“
„Ich hege ganz denselben Wunsch! Da wir es nun aber miteinander zu tun haben, so müssen wir eben mit diesen Tatsachen rechnen.“
„So sagen Sie mir aufrichtig, was mit mir geschehen wird, wenn ich Ihrer Aufforderung folge und mich ergebe.“
„Hm! Ich glaube, daß Sie sich das selbst sagen können.“
„Man wird mich töten?“
„Wahrscheinlich.“
„Auf Ihren Befehl?“
„Nein.“
„Ja, das dachte ich. Was Sie wollen, das weiß ich genau. Sie würden mich vielleicht entfliehen lassen.“
Er sah mich dabei prüfend an; ich antwortete ihm kopfschüttelnd:
„Täuschen Sie sich nicht! Ihr Tod kann mir allerdings nichts nützen; aber so, wie ich es am Nuestro Señor gemacht habe, würde ich es keinesfalls wieder tun. Ich verhalf Ihnen zur Flucht; Sie täuschten mein Vertrauen, lockten uns in einen Hinterhalt und nahmen uns gefangen. Sollte ich je auf den Gedanken kommen, Ihnen die Freiheit zu geben, so würde ich Sie sicher vorher unschädlich machen.“
„Auf welche Weise?“
„Auf keine, denn es gibt Ihnen gegenüber keine, und also ist gar nicht daran zu denken, daß ich Ihnen Hoffnung geben kann.“
„Und doch! Ich bin überzeugt, daß Sie mir behilflich sein werden, von hier zu entkommen.“
„Und ich sage Ihnen, daß Sie sich da gewaltig irren. Ganz abgesehen von mir und meinen Begleitern, von allem, was Sie uns getan und gegen uns beabsichtigt haben, sind Sie ein so allgemein gefährlicher Mann, daß es eine Sünde gegen andere und uns Fremde wäre, Sie wieder auf freien Fuß gelangen zu lassen.“
„So sagen Sie wenigstens, was ich Ihnen getan habe! Können Sie mir etwa beweisen, daß ich Ihnen nach dem Leben getrachtet habe?“
„Nun, ich dächte doch!“
„Nein, ich wollte mich Ihrer Person bemächtigen, weil ich glaubte, es werde mir mit Ihrer Hilfe möglich sein, die Pläne und Kipus zu entziffern.“
„Und wenn diese Voraussetzung eingetroffen wäre, was hätten Sie dann getan?“
„Ich hätte Sie reichlich belohnt entlassen.“
„Das machen Sie mir lieber gar nicht weis. Ich kenne das Schicksal, welches mich dann betroffen hätte, sehr genau.“
„Sie irren. Und sagen Sie mir doch, was Ihre Gefährten zu fürchten hatten? Ich hätte sie ermorden können. Aber ich habe es nicht getan, sondern sie zu den Mbocovis bringen lassen.“
„Um zunächst möglichst viel Lösegeld zu erpressen und sie nachher verschwinden zu lassen, wie dies ja stets Ihre Art und Weise gewesen ist.“
„Gewiß nicht! Ich brauchte nur Sie. Durch Ihre Hilfe wollte ich mich in den Besitz der vergrabenen alten Schätze setzen. Dabei waren Ihre Begleiter mir natürlich im Weg. Darum wurden sie gefangengenommen und entfernt. Es gelang mir auch, Sie zu ergreifen. Wären Sie nicht entflohen, so befänden wir uns schon längst an Ort und Stelle, und Sie wären überzeugt, daß ich es gut mit Ihnen gemeint habe. Waren die Schätze gehoben, so hätte ich den Chiriguanos den Befehl erteilt, Ihre Begleiter freizulassen. Und das wollen Sie mir dadurch vergelten, daß Sie mir nach dem Leben trachten!“
„Ich persönlich trachte nicht nach demselben. In Ihrer jetzigen Lage sind Sie natürlich gezwungen, Ihr Verhalten zu beschönigen und Ihre Absichten als die besten darzustellen; aber Sie können unmöglich verlangen, daß ich Ihnen glaube.“
„Zum Teufel! Warum denn nicht?“
„Weil Sie mich bereits belogen haben, überhaupt, weil Sie der Sendador sind.“
„Señor, ich glaubte, Sie würden verständiger denken!“
„Ich verhalte mich so verständig wie möglich, denn einem Mann, wie Sie sind, gegenüber, kann man den Verstand nicht anhaltend und scharf genug zu Rate
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