35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
halten. Ich kam ihnen sogar ein wenig vor und erreichte den Bruder, welchem ich das Gesehene mitteilte. Ich zeigte ihm die Indianer, welche nun nicht mehr gingen, sondern auch krochen, weil das Feuer bis hierher leuchtete. Sie kamen in einer Entfernung von höchstens acht Schritten an uns vorüber. Gomez war dabei; ich erkannte ihn.
„Die andern werden Häuptlinge sein“, flüsterte mir der Bruder zu.
„Dann wäre uns geholfen“, meinte ich ebenso leise. „Wir würden uns ihrer bemächtigen und sie als Geiseln bei uns behalten.“
„Sehr gut! Wollen wir?“
„Ja, aber möglichst geräuschlos.“
Wir krochen leise, aber so schnell wie möglich weiter. Kehrten sie um, ehe wir sie erreichten, so waren wir entdeckt. Erst jetzt erkannte ich, wie unvorsichtig es von uns gewesen war, so offen und weithin sichtbar am Feuer zu sitzen. Die Indianer hätten uns alle einzeln mit ihren Pfeilen wegputzen können.
Der Bruder gab sich ebenso große Mühe wie ich. Unser Nahen erregte nicht eine Spur von Geräusch. Jetzt waren wir da; er links von mir hinter Gomez, ich rechts von ihm hinter den beiden anderen. Sie kauerten vor uns. Ich zielte mit den Händen nach den Hälsen und warf mich mit Gewalt vor. Es gelang mir, die Hälse zu umfassen und die Männer durch die Gewalt des Stoßes nach vorn, mit den Gesichtern zur Erde zu werfen. Auch dem Bruder glückte der Angriff. Eine viertel oder halbe Minute lang hielten wir die drei nieder; sie bewegten konvulsivisch die Arme und Beine; nur ein leises Röcheln war zu hören; dann flüsterte mir der Bruder besorgt zu:
„Señor, wir ersticken sie!“
„Nein, das Erwürgen geht nicht so rasch. Getrauen Sie sich, den Ihrigen so, wie Sie ihn gefaßt haben, bis zum Feuer zu schleifen?“
„Ja.“
„Dann schnell vorwärts!“
Den Hals des einen in der rechten, den des andern in der linken Hand, rannte ich, sie beide hinter mir herschleifend, dem Platz zu. Der Bruder folgte mir. Aber ich blieb nicht am Feuer stehen, sondern rannte noch ein Stück über dasselbe hinaus, wo ich meine Doppellast fallen ließ.
Die Yerbateros sprangen schnell auf und kamen herbei, nicht wenig darüber erstaunt, daß wir drei Indianer geschleppt brachten.
„Was ist geschehen? Wie kommen Sie zu diesen Leuten? Waren sie denn außerhalb des Kellers?“
„Ja. Bindet sie. Bringt auch unsere Gewehre vom Feuer her! Wir dürfen nicht dort sitzen bleiben.“
„Warum?“
„Weil uns die Roten dort sehen können; sie haben den Keller verlassen. Setzen Sie sich hier unter die Bäume, wo es ganz dunkel ist, und haben Sie, während ich mit Gomez rede, ein scharfes Auge auf die Ecke, um welche die Roten kommen müssen, wenn sie uns überfallen wollen! Sieben Büchsenschüsse genügen wohl, sie zurückzuhalten.“
Diesen Anordnungen wurde schnell Folge geleistet. Die beiden Indianer lagen gebunden da und starrten uns wortlos und nach Luft schnappend an. Der Schreck war noch nicht von ihnen gewichen. Der Bruder erklärte den Yerbateros in kurzen Worten, wie wir zu dem Fang gekommen waren.
Gomez war bei voller Besinnung, rang aber auch nach Atem. Ich hielt ihm mein Messer auf die Brust und sagte:
„Bleiben Sie liegen, und bewegen Sie sich nicht, sonst fährt Ihnen meine Klinge in das Fleisch! Sie kennen mich. Und beantworten Sie mir meine Fragen aufrichtig! Sie wissen, ich will Ihren Schaden nicht; aber wahr müssen Sie sein. Wie kamen Sie aus dem Keller?“
„Durch die verborgene Mauerlücke.“
„Ah so! Sie wollten uns überfallen?“
„Ja. Ich habe meinen Leuten aber das Versprechen abgenommen, niemanden zu töten.“
„Warum denn den Überfall, wenn Sie uns schonen wollten?“
„Um den Sendador zu befreien.“
„Sie hätten sich umsonst bemüht. Der Sendador ist geflohen.“
„Wie ist das möglich? Ihnen entkommt doch keiner!“
„Ich selbst habe ihm die Fesseln durchschnitten. Er ist mit meiner und der Yerbateros Erlaubnis geflohen; doch dürfen dies die andern, die ihn töten wollten, nicht wissen. Sie werden also auf alle Fälle einstweilen darüber schweigen.“
„Gern. Aber sagen Sie die Wahrheit?“
„Haben Sie schon einmal eine Lüge von mir gehört? Und horchen Sie! Die rufenden Stimmen da unten! Das sind unsere Gefährten, welche ihn suchen. Glauben Sie es nun?“
„Ja, Señor. Aber wenn sie ihn nun wieder ergreifen?“
„Er wird wohl vorsichtig sein. Sie ersehen aus dem allen, daß ich es gut mit Ihnen meine.“
„Wenn das wahr ist, warum nehmen Sie uns
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