35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
seinem Glück! Ich bin nicht der Mann, mit mir scherzen zu lassen. Das werden Sie noch erfahren!“
„Ich glaube es nicht nur, sondern ich bin überzeugt davon. Sie geben, wenn Sie auch alles andere in Abrede stellen, doch zu, daß unser Weg hinauf nach der Pampa de Salinas führen würde?“
„Ja.“
„Daß die Kipus sich in Wirklichkeit dort befinden und daß sie zu den beiden erwähnten Zeichnungen gehören?“
„Wiederum ja.“
„Haben Sie diese letzteren bei sich?“
„Kann mir nicht einfallen! Bei den Wechselfällen, denen ich unterworfen bin, werde ich doch so hochwichtige Papiere nicht mit mir herumschleppen! Ich habe sie vergraben.“
„Wo?“
„Das werden Sie später erfahren. Noch kenne ich Sie nicht. Ich muß Sie prüfen, ehe ich Ihnen alles anvertrauen kann. Jetzt ist die Hauptsache, Gewißheit darüber zu erhalten, ob Sie mir wirklich zur Flucht behilflich sein wollen.“
„Wir sind bereit dazu.“
„Hegen Sie aber nicht etwa welche Hintergedanken! Ich bin nicht so hilflos, wie Sie vielleicht denken!“
„Ich gebe Ihnen mein Wort und das muß genügen.“
„Gut, ich will Ihnen vertrauen. So wird es am allerbesten sein, daß Sie mich jetzt gleich fortlassen.“
„Das geht nicht. So sehr offen wollen wir es doch nicht merken lassen, daß wir Ihren Tod nicht wünschen.“
„Später aber ist es eben zu spät!“
„Nein. Ich lockere Ihnen jetzt den Riemen an den Händen. Dann werde ich dafür sorgen, daß man auf den Gedanken gerät, Sie hinab zu den Wagen zu schaffen. Man wird Ihnen da die Füße freigeben.“
„O schön! Da entwische ich. Bitte, machen Sie mir den Riemen locker!“
„So ohne alle Bedingung denn doch nicht. Ich muß die Gewähr haben, Sie wieder zu finden.“
„Das sollen Sie. Reiten Sie morgen abend nur in dem Flußbett, dem Sie heute folgten, aufwärts. Ich werde Sie unbemerkt beobachten und an dem geeigneten Ort zu Ihnen stoßen.“
„Können wir uns darauf verlassen?“
„Zuversichtlich.“
„Aber Sie sehen doch ein, daß man einem Mörder nicht allzu großes Vertrauen schenken kann!“
„Meinetwegen! Dagegen gebe ich Ihnen zu bedenken, daß mir ohne Ihre Hilfe die Zeichnungen ebenso wie die Kipus ohne Wert und Nutzen sind. Es liegt also in meinem eigenen Interesse, Ihnen mein Wort zu halten.“
„Dasselbe denke auch ich. Darum werde ich Ihnen jetzt die obere Fessel locker machen. Ich schneide den Riemen entzwei, und Sie halten die beiden Schnittenden so fest in den scheinbar gefesselten Händen, daß der Riemen ganz straff angespannt erscheint. Sieht man dann ja nach, so gewahrt man den Knoten und wird keine Ahnung haben, daß Sie eigentlich frei sind.“
„So brauche ich den Riemen nur wegzuwerfen.“
„Ja; aber das werden Sie nicht tun. Unsere Gefährten könnten ihn finden und dann sehen, daß er vorher zerschnitten worden ist. Das dürfen sie auf keinen Fall entdecken.“
„Gut, so nehme ich ihn mit, und komme ich an eine Stelle, an welcher man ihn nicht finden kann, so werde ich ihn wegwerfen.“
„Darum bitte ich sehr. Dann aber haben Sie keine Waffen und kein Pferd.“
„Ich brauche zunächst keins, und später wird sich alles finden. Sorgen Sie sich nur nicht um mich.“
„Sie versprechen mir aber, gegen keinen von uns fernerhin eine Feindseligkeit zu unternehmen!“
„Gern! Ich will froh sein, wenn ich von hier fort bin. Wollte ich jemandem Übles tun, so würde ich mich doch nur unnötig in Gefahr bringen.“
„Daß Sie das einsehen, beruhigt mich. Ich werde Sie losmachen.“
Ich durchschnitt den Riemen. Er nahm die beiden Enden in die übereinander gebundenen Hände und sagte:
„Ich danke Ihnen, Señor! Nun glaube ich, daß Sie es ehrlich mit mir meinen. Da ich Sie aber noch gar nicht kenne und Sie mir doch einen so wichtigen Dienst leisten wollen, so erklärt sich der Wunsch, Näheres über Sie erfahren zu dürfen.“
„Sie werden später alles hören.“
„Wir haben doch auch jetzt Zeit, bis Ihre Leute zurückkehren.“
„Wenden Sie sich an Señor Monteso!“
Dieser letztere gab ihm die gewünschte Auskunft, indem er ihm unsere Erlebnisse kurz erzählte. Er war damit noch nicht ganz zu Ende, als die anderen zurückkehrten. Sie erzählten, daß die Frauen und Kinder so außerordentliche Angst ausgestanden hätten, und drangen auf sofortige Bestrafung des Sendador. Als einzige gerechte und wohlverdiente Strafe bezeichneten sie seinen Tod. Ich war natürlich dagegen, der Bruder auch, obgleich der letztere
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