35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
Wir machten sie mit dem Übereinkommen bekannt, welches wir mit den Indianern getroffen hatten, und darauf erfreuten sich die beiden Häuptlinge einer wenigstens nicht ganz feindseligen Behandlung seitens der Frauen.
Es verging längere Zeit, ehe die Suchenden zurückkehrten; sie kamen einzeln, einer nach dem andern. Der vorletzte war Pena, der letzte Gomarra. Die beiden waren am zornigsten über das Entkommen des Sendadors und hatten sich infolgedessen die meiste Mühe gegeben, seiner wieder habhaft zu werden. Besonders befand Gomarra sich in einem Zustand größter Wut.
„Wir hatten ihn!“ knirschte er. „Wir hatten ihn sogar fest! Ich brauchte dem Mörder meines Bruders nur das Messer zwischen die Rippen zu stoßen, so war der Mord gerächt. Und nun ist er uns wieder entkommen! Señor, daran sind Sie schuld!“
Er richtete diese Worte an mich; darum fragte ich im Ton der Verwunderung: „Ich? Wie kommen Sie auf diese ganz grundlose Idee?“
„Sie wissen es ebensogut wie ich und die andern. Sie sind der große Menschenfreund, der selbst dem schlechtesten Kerl nichts zuleide tun will. Wäre es auf mich angekommen, so hätte ich diesen Erzhalunken sofort niedergestochen. Sie aber möchten einen solchen Kerl wie den größten Ehrenmann der Erde behandelt wissen, und der Erfolg einer solchen Dummheit ist dann, daß er die Flucht ergreift.“
„Ich will nicht mit Ihnen rechten, Gomarra, denn Sie sind aufgeregt; doch wenn Sie von Dummheit sprechen, so muß ich Ihnen sagen, daß ich Ihnen nicht die Erlaubnis gebe, das, was ich tue, in dieser Weise zu begutachten. Wenn Sie mich für einen dummen Menschen halten, so kann ich Ihnen nur den Rat erteilen, sich nach einem klügeren Kameraden umzusehen, mit welchem Sie Ihre Zwecke schneller und leichter erreichen als mit mir. Oder handeln Sie für sich allein! Ich zwinge Sie keineswegs, sich an meine Person zu binden.“
Er wollte zornig antworten, besann sich aber eines andern und setzte sich, während er mißmutig vor sich hin brummte, am Feuer nieder.
Die schlechte Laune der Leute wurde dadurch verstärkt, daß ich ein friedliches Abkommen mit den Indianern getroffen hatte; doch nahmen sie das ruhig hin, ohne sich darüber zu äußern. Sie erzählten einander, was sie jetzt in der Verfolgung des Sendadors geleistet hatten. Dabei stellte sich heraus, daß ihre Heldentaten nur darin bestanden hatten, daß sie mit den Köpfen an die Bäume gerannt waren und sich die Hände und Gesichter an den Büschen zerrissen hatten, ohne einen Zipfel des Sendador zu sehen oder einen Hauch von ihm zu hören.
„Sie hätten dabei sein sollen, Señor“, sagte Pena zu mir. „Dann hätten wir ihn vielleicht doch erwischt.“
„Vielleicht? Nein, sondern ganz gewiß“, antwortete ich.
„Oho!“ meinte Gomarra, welcher noch immer nicht die Herrschaft über seinen Zorn gewonnen hatte. „Wenn Sie Ihrer Sache wirklich so gewiß waren, warum haben Sie da nicht mitgesucht?“
„Weil er keine Zeit hatte“, antwortete Pena an meiner Stelle. „Der Señor mußte doch droben bei den Roten bleiben.“
„Und wenn das auch nicht der Fall gewesen wäre, so hätte er auch nichts gefunden. Bei dieser Finsternis war es unmöglich, ihn zu entdecken.“
„Nun, warum haben Sie ihn denn da gesucht?“ fragte ich.
„Weil wir zu eifrig waren. Oder sollten wir nicht wenigstens den Versuch machen? Wir konnten ja zufällig auf ihn stoßen. Sie behaupten auch mit so großem Selbstvertrauen, daß Sie ihn gewiß bekommen hätten!“
„Aber wenn und wie! Ich hätte seine Spuren gefunden, und wenn man diese einmal hat, so hat man auch sehr bald den Mann selbst.“
„Dazu ist noch immer Zeit!“
„Nein, denn Sie haben sie nun ausgetreten und verwischt. Wenn über zwanzig Personen in den Büschen herumgekrochen sind, so soll mir selbst der beste Fährtensucher sagen, welche Stapfen die richtigen sind! Und wenn er sie auch finden sollte, so gehen sie ihm gleich wieder verloren, da die Eindrücke anderer Füße ihn irre machen müssen.“
Er antwortete nicht weiter und drehte sich ab, um sich wortlos in seinen Grimm zu versenken. Derjenige, welcher die Sache am drolligsten nahm, war der Steuermann. Er saß stumm da, schüttelte nur immer mit dem Kopf und zog allerlei Grimassen.
„Was haben Sie denn?“ fragte ich ihn.
„Einen Ärger habe ich, was denn sonst! Hätte ich nur Ihnen nicht gefolgt, sondern ihm zwei Rippen eingedrückt oder drei; dann hätte er es wohl unterlassen, davonzulaufen!
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