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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und der Weg führt durch Gegenden, deren Bevölkerung jetzt aufgeregt ist. Jeder ist gegen jeden. Dabei rechne ich die Indianer gar nicht, durch deren Gebiet dieser junge Grazer zu reisen hat. Was für Begleiter sind denn bei ihm gewesen?“
    „Auf der Rückreise? Gar keine, wenn er nicht zufälligerweise welche gefunden hat.“
    „Er war also allein? Und da verdammen Sie ihn? Ich habe während meines nur kurzen Rittes quer durch das Land so viel erlebt und erfahren, daß ein anderer, der nicht so viel Glück wie ich besessen hätte, entweder zehnmal zu Grunde gegangen oder zwanzigmal zwischen den Rädern ihres politischen und sozialen Getriebes mit schweren Verletzungen für lange Zeit verschwunden wäre. Und diesen jungen Mann geben Sie auf, ohne die Beweise seiner Untreue und Unehrlichkeit in den Händen zu haben?“
    Unica warf mir einen dankbaren Blick zu; der Alte war verlegen geworden, doch sagte er, indem er den Versuch machte, sich zu entschuldigen:
    „Ich habe auf meine Erkundigung erfahren, daß er in Buenos Aires das Geld erhoben hat.“
    „Das glaube ich gern; aber wissen Sie denn, daß er es nicht hat bringen wollen, sondern mit demselben durchgegangen ist?“
    „Nein, das weiß ich nicht; aber ich denke es mir, oder vielmehr ich – dachte es mir.“
    „So lassen Sie diesen Gedanken einstweilen fallen, und warten Sie mit seiner Verurteilung, bis Sie sichere Beweise haben. Ich habe schon manchen Menschen kennengelernt, dessen Mitmenschen ihn moralisch steinigten, und dann stellte es sich heraus, daß er rein war – reiner vielleicht als sie. Ich betrachte selbst den Gestrauchelten, den Gefallenen als einen Mann, der sich wieder erheben kann, der sich früher oder später erheben wird, und halte es für meine Pflicht, ihm die Hand zu reichen, indem ich der Worte des Heilands gedenke, daß nur derjenige, welcher ohne Fehler ist, den ersten Stein auf den Sünder werfen möge.“
    Unica reichte mir die Hand und sagte:
    „Herr, ich danke Ihnen! Sie befreien mich von einer großen Qual.“
    Der viejo Desierto blickte eine Zeitlang vor sich nieder und sagte dann, indem er meine Worte wiederholte:
    „Und dann stellte es sich heraus, daß er rein war – reiner vielleicht als sie! Sie haben recht. Ich will noch nicht urteilen, da ich selbst ein noch schwereres Gericht zu fürchten habe. Ich will von neuem hoffen, daß er doch noch zurückkehrt. Und nun wollen wir diesen Gegenstand fallen lassen und uns mit der Angelegenheit beschäftigen, welche heute für uns die Hauptsache ist, mit dem Überfall der Mbocovis. Damit das flott vonstatten gehe, will ich Ihnen eine kleine Anregung bringen, welche Sie hier im Gran Chaco wohl nicht gesucht haben werden. Aber setzen Sie sich nun endlich einmal!“
    Er hatte mit dieser letzten Aufforderung recht, denn seit er erschienen war, hatten wir im Stehen gesprochen. Unica schien zu wissen, was er holen wolle, denn als er sich entfernt hatte, ging sie nach einer anderen Laube und brachte aus derselben ein kleines Tischchen herbei, welches sie in die unserige stellte. Dann kehrte der Alte zurück und brachte – mehrere Weinflaschen und eine volle Zigarrenkiste.
    „Ja, da wundern Sie sich wohl!“ sagte er, als er unsere Augen sah. „Wein und Zigarren im Gran Chaco! Der erstere ist natürlich gekauft und per Maultier hierher gebracht worden. Die Zigarren aber sind eigenes Gewächs und auch eigenes Fabrikat.“
    „Sie bauen Tabak?“ fragte Pena.
    „Ja, und zwar ganz vortrefflichen! Wenn Sie einige Zeit hierbleiben, was ich natürlich sehr hoffe und wünsche, werden Sie sehen, was ich meine Indianer gelehrt habe. Der Rote ist bei weitem nicht der lernfaule Mann, für den er gehalten wird. Stellen Sie ihn nur unter die richtige Leitung, und zeigen Sie ihm, daß Sie seine Menschenrechte achten; dann werden Sie bald sehen, daß er bildungsfähig ist. Wenn Sie ihm allerdings das sogenannte Glück mit Messern und Flinten aufzwingen wollen, so wird er starrköpfig, und das kann ich ihm nicht übelnehmen. Meine Tobas rauchen ihre Zigarren wie die feinsten Gentlemen, und zwar eine Sorte, um welche sie mancher Kenner beneiden würde. Und was die Hauptsache ist, sie bauen den Tabak selbst und machen sich auch die Zigarren selbst. Langen Sie zu, und stecken Sie sich eine an!“
    Er hatte vier Gläser gefüllt und hielt uns die Zigarrenkiste hin.
    „Ich habe freilich gehört, daß die Tobas sich vor den andern indianischen Stämmen vorteilhaft auszeichnen“, sagte

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