35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
stark sind, so müssen wir gleich im Augenblick des Überfalls die Hälfte niederschlagen und dann Mann gegen Mann kämpfen.“
„Lieber Freund, das ist fatal! Hier komme ich auf meine Behauptung zurück, daß sie uns überlegen sind. Wenn es Mann gegen Mann geht, so treten die Giftpfeile und vergifteten Messer in ihr Recht, und dann wird, selbst wenn wir siegen, unser Verlust ein bedeutender sein. Wir umzingeln besser das Gebüsch und schießen die Männer nach und nach nieder.“
„Dreißig Mann sollen achtundfünfzig umzingeln?“
„Wir nehmen die Mädchen mit, welche auch ganz vortrefflich mit Pfeil und Bogen umzugehen verstehen.“
„Ein Kampf mit Mädchen gegen Männer! Das klingt fast lustig! Und wie soll das werden? Wir schießen aufs Geratewohl in die Büsche? So verputzen wir einen Zentner Blei und haben keinen Erfolg!“
„Gut! So halten wir sie umschlossen, bis es Tag wird. Dann können wir zielen.“
„Sie aber auch! Sie stecken hinter den Büschen und sind uns also verborgen; wir aber stehen im Freien und werden mit aller Gemächlichkeit über den Haufen geschossen!“
Der Alte stand auf, trat aus der Laube, schritt draußen einigemale auf und ab und rief dann in beinahe komischem Zorn aus:
„Zum Kuckuck mit Ihren Einwänden, Herr! Sie werfen mir ja meine ganze Kriegskunst, auf welche ich mir so viel eingebildet habe, in das Wasser!“
„Sie mag immerhin hineinfallen und drin liegen bleiben! Ihre Verteidigungspläne gehen von einer Ansicht aus, welche sich nicht für alle Fälle oder wenigstens nicht für diesen Fall als richtig erweist. Wenn Sie glauben, ein Kriegskünstler zu sein, so müssen Sie vor allen Dingen den gegebenen Verhältnissen Rechnung tragen.“
„Ich habe geglaubt, dies zu tun.“
„Sie ließen das eine unberücksichtigt, daß wir den Schwiegersohn unbedingt haben wollen, und zwar lebendig. Auf einen Fernkampf dürfen wir uns also schon aus diesem Grunde nicht einlassen, ganz abgesehen von seiner Gefährlichkeit für uns.“
„Also Sie stimmen für den Nahkampf?“
„Ja, weil man sich da der Person dieses Mannes versichern kann. Ich erbiete mich, ihn auf mich zu nehmen, und Sie dürfen überzeugt sein, daß ich ihn bekommen werde. Ich schlage ihn gleich im ersten Augenblick so nieder, wie ich Sie getroffen habe.“
„Das war ein Hieb, Herr! Ich habe über eine halbe Stunde lang bewußtlos gelegen! Aber wenn ich auch überzeugt bin, daß Sie ihn gleich mit diesem Schlag unschädlich machen und in unsere Gewalt bringen, so sind seine Mbocovis da, welche sich wehren werden. Zwei von ihnen gegen einen von uns! Das ist bedenklich. Ihr Nahkampf gefällt mir ebensowenig wie Ihnen mein Ferngefecht.“
„Es kommt ganz darauf an, wie wir uns arrangieren. Es ist ja nicht nötig, daß wir uns in Gefahr begeben. Ich setze den Fall, der Kampf bestände bloß darin, daß wir die Leute einzeln in Empfang nehmen und unschädlich machen.“
„Dieser Fall ist unmöglich.“
„Aber wir können ihn möglich machen. Auf welche Weise, das kann ich nicht sagen. Ich kenne das Terrain ja nicht. Wenn Sie mir das Dorf und die Umgebung desselben zeigen, so kommt mir vielleicht ein Gedanke.“
„Das will ich wohl gern tun, zweifle aber sehr daran, daß sich ein so prachtvoller Gedanke einstellen werde. Daß die Feinde uns einzeln in die Hände laufen, so daß wir sie nur willkommen zu heißen brauchen, das wäre mir freilich das allerliebste!“
„Vielleicht ist's möglich zu machen.“
„Nie! Sie mögen ja manches erlebt haben, aber dieses Land und diese Verhältnisse kennen Sie nicht!“
„Das ist sehr richtig. Aber wenn Sie mich jetzt umherführen wollen, so lerne ich sie kennen.“
„Wir können sofort aufbrechen, wenn Sie das wünschen. Während wir unsere Wanderung vornehmen, kann Unica den Tisch für Sie bereiten, an den wir bis jetzt noch nicht denken konnten. Sie werden nicht nur ermüdet, sondern hungrig sein. Bitte, kommen Sie!“
Wir leerten unsere Gläser und mußten uns Zigarren einstecken. Dann verließen wir die Laube, um uns aus dem Garten in die Wohnung zu begeben. Wir gingen denselben Weg, den wir gekommen waren, Unica voran und der Alte hinterher. Er war in der Totenkopfstube für einen Augenblick zurückgeblieben. Als wir an den Eingang kamen und Unica die Tür geöffnet hatte, sah ich, daß er einen dunklen, breitrandigen Sombrero auf hatte. Dieser Hut war vorher nicht im Zimmer gewesen; daraus schloß ich, daß sich neben demselben noch ein anderes
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