35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
immer mißtrauisch, wie seine Fragen zeigten. Ich antwortete:
„Das Interesse eines jeden pflichttreuen Menschen, dem es ein Bedürfnis ist, Böses zu verhüten und dem Bedrängten beizustehen.“
„Aber das Recht kann auch auf der Seite der Mbocovis sein! Sie kennen weder sie noch uns!“
„Wir haben erlauscht, daß es sich um einen Raubzug handelt. Sie sollen überfallen und ausgeraubt werden. Man vermutet Reichtümer bei Ihnen und will sie Ihnen abnehmen; da kann doch gar kein Zweifel darüber herrschen, auf welcher Seite sich das Recht befindet.“
„Hm! Wenn Sie wirklich aufrichtig sprechen, so will ich es gern gelten lassen! Sie werden es begreiflich finden, daß ich gern wissen möchte, wer die Männer sind, von deren Verschwiegenheit die Aufrechterhaltung meines Geheimnisses nunmehr abhängig ist.“
„Das sollen Sie erfahren“, antwortete mein Gefährte. „Ich heiße Pena, aus Porto Alegre, ich bin Cascarillero.“
Als der Alte den Namen des brasilianischen Hafens hörte, erheiterte sich sein Gesicht. Ein Mann, der so weit von hier zur Hause ist, konnte ihm weniger schaden, als ein in der Nähe wohnender. Als er aber den Stand Penas erfuhr, verdüsterten sich seine Züge wieder. Er hatte einen Konkurrenten vor sich, und Konkurrenten ist niemals recht zu trauen.
„Cascarillero!“ sagte er. „In welcher Gegend liegt Ihr Arbeitsfeld?“ fragte er.
„Überall!“
„Halten Sie den Gran Chaco für reich an Rinden?“
„Natürlich!“ antwortete Pena, dem es geheimen Spaß zu machen schien, den Alten zu beängstigen.
„So wollen Sie hier bleiben?“
„Möglich ist es. Es kommt darauf an, ob ich gute Kameraden finde.“
„Da warne ich Sie! Die Indianer des Gran Chaco dulden keine Weißen in ihrer Nähe.“
„Pah! Indianer gibt es überall. Ich habe sie stets da gefunden, wohin ich gekommen bin, ohne sie zu fragen, ob ich bleiben darf oder nicht. Ich mache mein Geschäft nicht von dem Willen der Roten abhängig. Wenn ich in ihrer Nähe einige Bäume abschäle, so können sie es sich ruhig gefallen lassen, denn das macht ihnen keinen Schaden.“
„Und wenn sie es aber doch nicht dulden wollen?“
„Dann habe ich hier eine gute Büchse und ein scharfes Messer, mit denen ich bisher stets zurechtgekommen bin. Und ich glaube nicht, daß man die Roten des Gran Chaco mehr zu fürchten hat als die, welche andere Gegenden bewohnen.“
„Irren Sie sich ja nicht! Hier ist die Heimat der vergifteten Pfeile, gegen welche Ihnen Ihr Gewehr und Ihr Messer gar nichts helfen können!“
„In Brasilien gibt's diese Pfeile auch, und es hat mich bisher noch keiner getroffen. Wie wir übrigens diese Dinger fürchten, das glauben wir ihnen gezeigt und bewiesen zu haben!“
Der Alte sah, daß seine Worte und indirekten Einwendungen keinen Erfolg hatten, und wandte sich nun zu mir, indem er sich erkundigte:
„Und Sie sind auch Cascarillero?“
„Nein. Wenn es Ihnen recht ist, so können Sie mich einen Viajador (Tourist) nennen.“ Dann gab ich ihm auch meinen Namen an.
„Was, Sie sind ein Deutscher? Dann bin ich ruhig. Ein Landsmann wird doch unmöglich den andern ins Verderben stürzen.“
„Landsmann?“ fragte ich überrascht.
„Jawohl! Ich bin auch ein Deutscher!“
„Was?“ fragte Pena. „El viejo Desierto ein Landsmann von uns! Wer hätte sich das einbilden können!“
Der Alte sah ihn erstaunt an und fragte:
„Auch Sie ein Landsmann? Das ist doch wohl nicht der Fall! Sie heißen doch Pena!“
„Übersetzen Sie doch einmal das Wort Pena ins Deutsche!“
Bis jetzt hatten wir uns der spanischen Sprache bedient; nun aber antwortete der Alte deutsch:
„Pena kann man übersetzen mit Schmerz, Qual, Sorge, Kummer –“
„Halt!“ fiel Pena ein. „Das ist's; so heiße ich. Kummer ist mein Name.“
„Also Sie wohnen in Porto Alegre, sind aber von drüben herüber?“
„Ja, aus Breslau.“
„Und Sie?“ fragte er mich.
„Ich bin Sachse.“
„Gott sei Dank, denn da können Sie nicht –“
Er hielt erschrocken inne. Er war in den letzten zwei Minuten ein ganz anderer geworden. Seine Stimme klang heller; seine Bewegungen waren lebhafter, jugendlicher, und sein Gesicht hatte einen beinahe glücklichen Ausdruck angenommen. Es war freilich auch eigentümlich, daß drei Deutsche sich im Gran Chaco und zwar an dieser geheimnisvollen Stelle trafen. Die Freude darüber hatte ihn zu einer Äußerung fortgerissen, die er nicht ungeschehen machen konnte. Er hatte zwar genug
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