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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bemühte sich vergeblich, loszukommen, und legte sich dann unzufrieden nieder. So lag er, scheinbar unbekümmert um das große Publikum. Die weit geöffneten Nüstern zitterten. Er hatte einige Tage gehungert und roch das Blut, welches hier geflossen war. Er war ein ungewöhnlich starkes, doch nicht zu altes Tier.
    Nun wurde auch vorn geöffnet. Man erwartete, daß der Büffel hereinstürmen werde; aber das tat er nicht, sondern er kam langsam hergeschritten, als ob er sich bewußt sei, daß man ihn anstaunen werde. Er war ein wirklicher Riese seiner Gattung, fast drei Meter lang und sehr gut genährt, so daß er leicht gegen dreißig Zentner wiegen konnte. Nach einigen Schritten stehen bleibend, schüttelte er sich das lange Stirnhaar aus den Augen und sah den Jaguar. Man war aufs äußerste gespannt, was nun geschehen werde. Der Jaguar war aufgesprungen und begann zu heulen. Hätte er auch angreifen wollen, der Lasso hielt ihn fest. Der Büffel neigte den Kopf zur Seite und musterte ihn mit dem einen Auge. Er schien zu überlegen, ob es sich der Mühe lohne, mit diesem Gegner anzubinden. Sein Entschluß war gefaßt; er wendete sich ab und trollte von dannen, einen Rundgang um den Zirkus unternehmend. Natürlich mußte er auf der anderen Seite dem Jaguar nahe kommen. Dieser ließ ihn weit genug heran und duckte sich zum Sprung nieder. Da senkte der Büffel den Kopf, zeigte die Hörner und den mächtigen Nacken und ließ ein warnendes Brummen hören. Das war genug gesagt; der Jaguar zog sich zurück, und der Bison trottete an ihm vorüber, doch vorsichtigerweise so, daß er ihm im Vorbeigehen die Vorderseite zukehrte. Der Jaguar blieb wider alles Erwarten eingeschüchtert liegen; ohne Zweifel fürchtete er sich.
    Während dieser Art von Waffenstillstand zwischen den beiden Tieren erklärte der Privatgelehrte seinem jungen Nachbar: „Der nordamerikanische Bison bildet im Verein mit dem europäischen Auerochsen, auch Wisent genannt, eine Unterabteilung des Geschlechtes der Ochsen, lateinisch Bos geheißen. Diese Untergattung zeichnet sich aus durch einen sehr gewölbten Schädel, breite Stirn, kurze, runde, aufwärts gekrümmte und vorn auf die Stirn gestellte Hörner, zottige Mähne um Hals und Brust, einen Höcker und den verhältnismäßig sehr stark entwickelten Vorderkörper. Der Bison hat einen dickeren Kopf, eine stärkere Mähne und kürzere Beine als der Auerochse. Er ist eigentlich ein geselliges Tier, was der Lateiner dem Worte congregabilis bezeichnet und – – –“
    Seine weiteren Worte blieben unhörbar; sie wurden durch das Geschrei und die stürmischen Rufe des Publikums verschlungen, welches sich bei dem friedlichen Verhalten der beiden Kampftiere zu langweilen begann und verlangte, daß der Jaguar gegen den Büffel aufgereizt werde.
    „Tirad los buscapiés, tirad los buscapiés – werft die Schwärmer, werft die Schwärmer!“ brüllte einer der Zuschauer, und die anderen riefen es ihm nach.
    Der Präsident gab mit der Hand das Zeichen, daß man diesem Wunsch willfahren möge. Da wendete sich derjenige Kamerad des Weißbärtigen, welcher ihm zur Rechten saß, mit der Frage an ihn: „Meinst du, daß er sich reizen lassen wird, Carlos? Ich glaube, daß er den Büffel mehr fürchtet als das Feuerwerk.“
    „Und ich glaube, daß es leicht ein Unglück geben kann“, antwortete der Gefragte. „Siehst du nicht, daß er den Lasso, an welchem er hängt, im Rachen hat? Wenn er ihn zerkaut, so kommt er los und wird nicht den Bison, sondern Menschen anfallen.“
    Das im Sand hingestreckte Tier kaute allerdings an dem Lasso, was aber von den Zirkusbediensteten gar nicht beachtet wurde. Sie brannten, im sichern Hinterhalt sich befindend, Schwärmer an und warfen dieselben nach dem Jaguar. Dieser wurde getroffen, sprang auf und ließ den Lasso aus dem Maul fallen; der Riemen war fast ganz zerbissen. Da erreichten die Zündfunken das Pulverfaß, und das Feuer begann zu sprühen. Der Jaguar brüllte vor Schreck und tat einen weiten Sprung; der Lasso wurde angespannt und zerriß an der zerbissenen Stelle; das Raubtier war frei.
    Das Publikum begrüßte dieses unerwartete Ereignis mit jauchzendem Beifall, denn man war überzeugt, daß der Jaguar seine Freiheit nun sofort zu einem Angriff auf den Bison benutzen werde. Er rannte allerdings auf diesen zu, wendete sich aber, als der Büffel ihm die Hörner zeigte und sich gar anschickte, auf ihn loszugehen, zur Seite, jagte in wenigen Sätzen in der Arena hin

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