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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Buchstaben das Programm zu lesen. Mehrere Musikkapellen konzertierten, indem sie einander ablösten. Das Publikum suchte sich durch Plaudern die Zeit bis zum Beginn der Vorstellung zu vertreiben. Die Matadores glätteten mit Rechen und Besen den Sand der Arena, und zuweilen erschien aus irgendeiner Tür ein buntgekleideter Kämpfer, welcher langsam und gravitätisch über die Bühne schritt, um sich bewundern zu lassen.
    Die Arena war von dem Zuschauerraum durch eine Bretterwand getrennt, welche stark genug war, den Stößen eines Stieres zu widerstehen, doch nicht zu hoch, damit es den Toreadores, welche in Gefahr kamen, möglich war, sich dadurch zu retten, daß sie sich über diese Wand wegschwangen. Vorn war die Tür, aus welcher man die Stiere, hinten diejenige, aus welcher man den Jaguar zu erwarten hatte. Es wurde erzählt, daß man betreffs des nordamerikanischen Bisons zu ganz ungewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln gezwungen gewesen sei. Jetzt konnte man das Tier zwar noch nicht sehen, aber man hörte es brüllen, und diese Stimme ließ gar wohl ahnen, daß es sich nicht ohne Widerstand abschlachten lassen werde.
    Diejenigen Plätze, welche hinter der erwähnten Bretterwand begannen, waren die billigen. Da saß Fritze Kiesewetter, welcher von seinem neuen Herrn ein Billet geschenkt bekommen hatte. Die höher liegenden Plätze waren bedeutend teurer. Da saßen die reichen Leute, unter ihnen der Bankier mit seinen drei Begleitern. Der Zufall hatte es gefügt, daß der weißbärtige Herr, welcher sich gestern im Café de Paris Hammer genannt hatte, nebst seinen gestrigen Kameraden die nebenliegenden Sitze erhalten hatte. Er saß neben Dr. Morgenstern, welcher sich Mühe gab, seinem Nachbar, dem jungen Peruaner, das Ungebührliche und Verwerfliche solcher Tierkämpfe zu demonstrieren.
    „Haben Sie schon einmal einen solchen Kampf mitangesehen, mein lieber, kleiner Señor?“ fragte er.
    „Nein“, antwortete Anton Engelhardt, welcher trotz seiner sechzehn Jahre und trotzdem er von dem Doktor ‚klein‘ genannt wurde, schon ebensolang wie dieser war.
    „Dann muß ich Ihnen sagen, daß diese Tierquälereien nichts Neues sind. Sie fanden schon bei den alten Griechen, namentlich in Thessalien, und bei den Römern unter den Kaisern statt. Das waren Heiden, die man entschuldigen kann. Wir aber sind Christen und sollten solche Abscheulichkeiten unterlassen.“
    „Aber, Señor, Sie sind ja selbst auch mitgekommen, um sie sich mitanzusehen!“
    Diese Bemerkung des Knaben brachte den Gelehrten sichtlich in Verlegenheit; er rettete sich aber durch die Antwort: „Würde das Gefecht unterbleiben, wenn ich nicht mit hier säße?“
    „Nein.“
    „So ist mir also kein Vorwurf zu machen. Außerdem bin ich gekommen, um Studien zu machen; ich habe also eine doppelte Entschuldigung, Excusatio, wie der Lateiner sagt. Ich bin Zoologe, und es ist ein zoologisches Schauspiel, welches uns erwartet. Ein reichlicher Fund im Diluvium würde mir aber doch weit lieber sein.“
    „Hat es vor der Diluvialzeit auch schon solche Tiergefechte gegeben?“ fragte Anton, indem er ein schelmisches Lächeln kaum zu unterdrücken vermochte.
    Der Doktor warf ihm einen forschenden Seitenblick zu und antwortete: „Diese Frage läßt sich nicht so ohne weiteres mit einem kurzen Ja oder Nein abtun. Man spricht von einem antediluvianischen, ja von einem sogar noch älteren Menschen. Hat es diesen wirklich gegeben, so ist bei der damaligen niedrigen sittlichen Bildungsstufe anzunehmen, daß dieser Mensch allerdings die Saurier gegeneinander und das Mastodon auf das Megatherium gehetzt haben kann. Es ist das sehr beklagenswert, aber wir leben in einer zu späten Zeit, um es ändern zu können. Wir haben uns – – –“
    Er wurde unterbrochen, denn die Musik blies einen schmetternden Tusch; der Präsident hatte seine Loge betreten und mit der Hand das Zeichen gegeben, daß das Kampfspiel beginnen möge. Waren vorher die Stimmen der miteinander sprechenden Zuschauer wie ein dumpfes Brausen erklungen, so trat jetzt mit einemmal eine Stille ein, daß man den Nachbar Atem holen hörte. Ein abermaliger Wink des allgebietenden Herrn, die Musik begann einen Marsch zu blasen, und es öffnete sich ein Tor, um zunächst die Picadores einzulassen. Sie ritten schlechte Pferde, da man wertvollere Tiere den Hörnern der Stiere nicht aussetzen mag. Ihnen folgten zu Fuß die Banderilleros und Espadas, um einmal rund um die Arena zu ziehen. Dann nahmen die

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