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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sei, wenn er sich jetzt als ein Feigling zeige. Aber ganz allein konnte er sich unmöglich an den Büffel wagen; er mußte Helfer haben, welche die Aufgabe hatten, im Falle der Gefahr die Aufmerksamkeit des Tieres von ihm ab und auf sich zu lenken. Aber nur gegen das Versprechen einer hohen Belohnung ließen sich drei Banderilleros bereit finden, den schlimmen Gang mit ihm zu wagen. Als die vier in die Arena traten, wurden sie mit beifälligen Bravorufen empfangen.
    Der Bison hatte sich noch keineswegs beruhigt. Er ging von einer Tier- und Menschenleiche zur anderen, um zu untersuchen, ob etwa noch Leben vorhanden sei, und warf dabei die Körper und Kadaver mit den Hörnern hin und her. Er blutete aus mehreren Wunden, welche jedoch nicht tief und gefährlich waren. Als er die neuen Angreifer sah, richtete er den zottigen Kopf gegen sie, stampfte den Boden mit den Füßen und ließ ein herausforderndes Brüllen hören.
    „Was meinst du, Carlos, was geschehen wird?“ wurde Vater Jaguar von seinem Nachbar gefragt.
    „Wer von ihnen nicht flieht, ist verloren“, lautete die Antwort. „Es ist Menschenmord, diese Leute auf den Bison zu hetzen.“
    „Meinst du, daß er unüberwindbar ist?“
    „Nein; aber es gibt hier nur einen einzigen Menschen, der es wagen darf, mit ihm anzubinden.“
    „Wer ist dieser Mann? Meinst du dich selbst?“
    „Vielleicht wirst du nachher sehen, wen ich meine. Jetzt sei aufmerksam, denn sie beginnen eben!“
    Crusada näherte sich von der Seite her mit langsamen, fast zaghaften Schritten dem Büffel. Er hielt die Muleta, den Stab mit dem seidenen Tuch, in der linken und den blanken Degen in der rechten Hand. Sein kräftiger und schöner Körperbau, welcher durch die reichgeschmückte Kleidung noch hervorgehoben wurde, ließ beinahe erwarten, daß er auch jetzt wie schon vorher Sieger bleiben werde. Während die drei Banderilleros sich auf der anderen Seite herbeischlichen, hielt der Bison, ohne auf sie zu achten, seinen Blick nur auf Crusada gerichtet, in dem er seinen eigentlichen Feind erkannte.
    Das Tier war nicht nur stark und mutig, sondern auch schlau. Es schien die Absicht seines Gegners zu ahnen und bewegte sich nicht von der Stelle. Es stand, ohne den Kopf zu senken da und erwartete den Angriff. Crusada war bis auf nur fünf Schritte herangekommen und fühlte sich, da ihm dies gelungen war, des leichten Sieges gewiß. Er sah die breite Brust des Stieres nahe vor sich; ein Ziel, welches nun gar nicht zu verfehlen war. Er schwang also die bunte Muleta, um das Auge des Büffels von sich ab und auf diese zu lenken und sprang auf das Tier ein; es war ein Sprung ins Verderben, in den Tod. Der Stier achtete der Muleta nicht, sondern nur des Mannes. Als der gezückte Degen ihm in die Brust fahren sollte, senkte er den Kopf und fing den Stoß zwischen den Hörnern auf; eine kurze, kaum bemerkbare Bewegung seines Kopfes, und das eine Horn saß dem Espada tief im Leibe; Crusada wurde empor- und nach hinten geschleudert. Die drei Banderilleros wollten aus dieser Richtung auf den Bison eindringen; dieser aber machte kehrt, um Crusada von neuem zu packen, erblickte sie und senkte die Hörner; da rannten sie laut schreiend davon; der Bison aber nahm Crusada nochmals auf die Hörner und schleuderte ihn in die Höhe, um ihn dann unter die Füße zu treten.
    „Vaya, quita, soga! Que cobardía, que bajeza, que infamia – pfui, pfui, pfui, welche Feigheit, welche Niederträchtigkeit, welche Ehrlosigkeit!“ rief man von allen Seiten den Banderilleros zu, da sie den Espada so schmachvoll im Stich ließen.
    Das hatte die Wirkung, daß sie umkehrten und sich dem Büffel wieder näherten, ohne aber Crusada retten zu können, denn er war bereits tot. Aus diesem Grund schenkte ihnen der Stier mehr Aufmerksamkeit als vorher; er machte Miene, zum Angriff überzugehen; da ergriffen sie zum zweitenmal die Flucht. Es war, als ob er genau wisse, auf welche Weise er ihr Entkommen verhindern könne, denn er rannte nach der Tür, wie um ihnen den Weg abzuschneiden. Sie konnten sich also nur auf die Bretterwand retten und eilten auf dieselbe zu; er sah das und hielt nun von seitwärts her dieselbe Richtung ein. Der erste von ihnen gelangte glücklich hinauf, der zweite auch; der dritte aber war nicht schnell genug; er tat den Sprung und ergriff die obere Kante der Wand, doch ehe er den Leib emporzuziehen vermochte, war der Büffel hinter ihm und traf ihn mit dem einen Horn in den Schenkel. Glücklicherweise zog

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