37 - Satan und Ischariot I
sie teilen muß. Die Gefangenen müssen fortgeschafft werden, und es gilt, die Herden nach der Hazienda zu bringen. Fünfzig meiner Leute werden genügen, letzteres zu tun, ich gebe ihnen ein erfahrenen Krieger als Anführer mit. Wenn sie auf der Hazienda angekommen sind und ihr habt ihrer nötig, so haben sie euch so wie mir zu gehorchen. Mit den anderen schaffe ich die Yumas fort. Je weiter ich sie von der Hazienda entferne, desto weniger braucht ihr besorgt zu sein, daß sie mir vielleicht entfliehen und zurückkehren, um das Vieh wiederzuholen und euch Schaden zu bereiten.“
Das war höchst verständig gesprochen. Er hatte recht. Und außerdem war mir an der Begleitung des jähzornigen Alten nicht sehr viel gelegen. Ich hegte die Überzeugung, daß ich mit Winnetou weit leichter und eher ans Ziel kommen würde als mit diesem so leicht erregbaren Mann. Darum stimmte ich ihm sofort bei, und auch der Apache meinte:
„Mein roter Bruder hat sehr gute Worte gesprochen. Vielleicht bedürfen wir der fünfzig Krieger, wenn sie die Herden abgeliefert haben. Vielleicht auch müssen wir, wenn wir ihnen voraus sind ihnen eine Nachricht geben. Dazu müssen wir noch einen Krieger haben, welcher uns beide begleitet und als Bote dienen kann.“
Und ich fügte bei:
„Da werde ich doch lieber den ‚Starken Büffel‘ bitten, uns seine beiden Söhne mitzugeben. Sie sind klug und tapfer und haben mir bewiesen, daß sie zu Botendiensten sehr geeignet sind. Ist dies meinem Freund Winnetou recht?“
„Was Old Shatterhand sagt, soll geschehen“, antwortete der Gefragte.
Auch der Mimbrenjo erklärte sich einverstanden. Er war sogar stolz darauf, daß seinen Söhnen, trotz ihrer Jugend, eine solche Auszeichnung zuteil wurde, und versprach, für sie die zwei schnellsten und ausdauernsten seiner Pferde auszusuchen. Das war uns natürlich lieb, da die Jünglinge sonst wohl kaum fähig gewesen wären, mit uns, daß heißt, ihre Pferde mit den unserigen, Schritt zu halten.
Nachdem noch einige Einzelheiten besprochen worden waren, legten wir uns schlafen, um frühzeitig munter zu sein. Kaum graute der Morgen, so versahen wir uns mit Proviant, da wir nicht wußten, ob wir in der ausgeraubten Hazienda etwas finden würden, und stiegen zu Pferd. Die Mimbrenjos grüßten uns zum Abschied mit aufrichtiger Herzlichkeit. Ihrem Häuptling mußten wir versprechen, ihn nach ausgeführtem Plan aufzusuchen, im Fall aber, daß wir vorher seiner Hilfe bedürfen sollten, uns an niemand wie an ihm zu wenden. Die gefangenen Yumas aber sahen uns mit finsteren Blicken ziehen. Ihr Anführer, der, ‚Große Mund‘, rief uns nach:
„Da reiten die Verräter und dreifachen Lügner. Wäre ich nicht gefangen, ich würde sie wie schmutziges Wasser ausschütten!“
Ja, er war gefangen, und es stand nicht zu erwarten, daß er wieder freikommen werde; dennoch sollten wir diesen gefährlichen Menschen sehr bald wiedersehen!
FÜNFTES KAPITEL
Der Player
Auf unserem Ritt zeigte sich, was gute Pferde zu leisten vermögen. Mir war bange für die Auswanderer; wir trieben also unsere Tiere tüchtig an; glaubten wir doch, daß sie sich dann später nach unserer Ankunft auf der Hazienda tüchtig ausruhen könnten; die Folge war, daß wir schon am Nachmittag des nächsten Tages die Grenze der Hazienda erreichten, die beiden Jünglinge freilich auf schweißtriefenden Rossen, während die unserigen so trocken und munter waren, als ob wir jetzt erst am Beginn des weiten Rittes ständen.
Wir nahmen wieder den Bach zum Führer und sahen dann die Mauern vor uns liegen, welche die Brandstätten der eingeäscherten Gebäude umgaben. Niemand verwehrte uns den Eingang. Dennoch zögerte ich, in den Hof zu reiten. Winnetou verstand mich sofort und sagte:
„Mein Bruder Shatterhand mag erst allein suchen. Es waren rote Männer, welche die Hazienda überfielen. Wenn jemand sich hier befindet und uns gleich mit erblickt, kann er uns für Yumas halten und die Flucht ergreifen, so daß wir uns nicht erkundigen können und keine Auskunft erhalten.“
Ich ritt also allein in den Hof. Er bildete ein Chaos von rauchgeschwärzten Mauertrümmern, die ich durchsuchte, ohne eine Menschenseele zu finden. Ich kehrte also zurück und versuchte, außerhalb der Mauern auf jemand zu treffen. Kaum war ich um die südwestliche Ecke gebogen, so sah ich einen Mann, einen Weißen, mir langsamen Schrittes entgegenkommen. Er trug einen langen, dunklen Rock, der ihm fast das Aussehen eines Geistlichen
Weitere Kostenlose Bücher