37 - Satan und Ischariot I
verlieh, und blieb, als er mich erblickte, überrascht stehen.
„Buenos días!“ grüßte ich. „Gehören Sie zu dieser Hazienda, Señor?“
„Ja“, antwortete er, indem er mich mit seinen stechenden Augen musterte.
„Wer ist der Besitzer?“
„Señor Melton.“
„Also doch! Ich suche ihn. Er ist ein Bekannter von mir.“
„Dann tut es mir leid, daß Sie ihn nicht treffen. Er ist mit Señor Timoteo Pruchillo, dem früheren Besitzer, nach Ures geritten, um den Kauf gerichtlich festzustellen.“
„So sind doch seine Freunde da?“
„Die beiden Señores Weller? Nein. Die sind hinauf nach der Fuente de la Roca (Felsenquelle).“
„Und die deutschen Arbeiter?“
„Sind unter der Anführung der beiden Señores auch hinauf, wo sie von den Yuma-Indianern erwartet werden. Sie müssen ein Freund von Señor Melton sein, daß Sie nach diesen Personen allen fragen. Darf ich mich erkundigen, wer – – –“
Er hielt mitten in der Rede inne. Er hatte seinen Weg fortgesetzt, und ich war an seiner Seite geblieben. Jetzt eben kamen wir um die Ecke. Er sah die drei Indianer, blieb stehen, hielt im Sprechen inne, starrte den Apachen ganz erschrocken an und rief dann in englischer Sprache, während wir uns bisher des Spanischen bedient hatten:
„Winnetou! Alle Teufel! Den führt der leibhaftige Satan her!“
Während der letzten Worte drehte er sich um und rannte davon, sprang mit einem weiten, kühnen Satz über den Bach hinüber und hetzte dann wie ein gejagtes Wild über den mit Asche bedeckten Waldboden, aus welchem die Stümpfe der verbrannten Bäume und Sträucher ragten. Winnetou hatte ihn auch gesehen und seine Worte gehört. Er trieb sein Pferd an, kam an mir vorüber und sprengte, ohne ein Wort zu sagen, über den Bach, um dem Fliehenden zu folgen. Jedenfalls kannte er den Menschen, und zwar mußte er ihn von einer Seite kennengelernt haben, daß es ihm unter den gegenwärtigen Verhältnissen geraten schien, sich seiner zu bemächtigen.
Aber das war eine schwierige Sache. Die zahllosen Stummel des abgebrannten Gehölzes waren, da sie gleiche Farbe mit der handhoch liegenden Asche hatten, bei einem so schnellen Ritte von der letzteren nicht zu unterscheiden und konnten das Pferd leicht zum Fall bringen oder an den Füßen so verletzen, daß es zum Reiten untauglich wurde. Das sah Winnetou ein, als es einigemal gestrauchelt war. Er hielt es an, sprang ab und setzte die Verfolgung zu Fuß fort.
Hätte ich gewußt, wer der Mann war und daß wir uns seine auf alle Fälle zu versichern hatten, so wäre es mir in den ersten Augenblicken ein leichtes gewesen, ihm eine Kugel ins Bein zu geben, so daß er nicht weiter gekonnt hätte; so aber mußte ich dies unterlassen, zumal ich mir sagte, daß Winnetou dasselbe tun würde, falls er es für nötig halten sollte. Er war ein ausgezeichneter Läufer; ich wußte, daß es unmöglich war, ihn einzuholen; hatten wir doch schon um unser Leben laufen müssen. Hier aber war er im Nachteil, da ihn nicht nur seine Büchse, sondern seine ganze Ausrüstung hinderte, während der andere nichts zu tragen hatte und, von der Angst zur größten Anstrengung angetrieben, eine Schnelligkeit entwickelte, welche ihm unter anderen Umständen wohl nicht zu eigen war. Winnetou war nicht imstande, ihm den Vorsprung, den er hatte, so rasch, wie es zu wünschen war, abzugewinnen. Doch wußte ich, daß er ihn bei längerer Verfolgung einholen werde, da er eine Ausdauer besaß, welcher diejenige des anderen jedenfalls nicht gleichkam.
Der Lauf ging die Anhöhe hinan, welche hinter den Gebäuden der Hazienda lag und ganz kahl abgebrannt war. Der Flüchtige kam eine volle Minute vor dem Apachen oben an und verschwand dann jenseits. Als Winnetou die Höhe erreichte, sah ich, daß er zunächst auch weiter wollte; aber er hielt, sich besinnend, an, warf einen die Entfernung abschätzenden Blick nach jenseits hinüber und legte dann das Gewehr an. Er wollte schießen, ließ es aber wieder sinken, machte eine Armbewegung, welche soviel wie ‚Nein, ich will es doch unterlassen‘ bedeutete, kehrte um und kam die Anhöhe wieder herab. Als er sein Pferd, welches sich nicht von der Stelle gerührt hatte, erreichte, stieg er wieder auf und kam über den Bach herüber.
„Winnetou will ihn doch lieber laufenlassen“, sagte er. „Drüben im anderen Tal gibt es wieder Wald, welcher nicht gebrannt hat; er würde ihn vor mir erreichen, und ich könnte ihn nicht mehr sehen.“
„Mein Bruder
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