37 - Satan und Ischariot I
streiten wir uns nicht! Wir wären quitt gewesen, wenn jeder sein Wort gehalten hätte; nun sind wir ebenso quitt, weil keiner es gehalten hat. Ich bin heute die letzte Nacht bei euch. Morgen früh trenne ich mich von dem ‚Starken Büffel‘, welcher euch nach seinen Weideplätzen transportieren wird, wo ihr den Martertod sterben werdet.“
Ich tat so, als ob ich gehen wolle. Das half. Morgen fort von hier! Er hoffte, durch mich frei zu werden! Und ich war nur noch heute abend da! Von dem ‚Starken Büffel‘ hatte er keine Gnade zu erwarten.
„Warte noch!“ rief er, als ich mich schon einige Schritt entfernt hatte.
„Nun?“ fragte ich, mich ihm wieder zuwendend.
„Wirst du uns wirklich freilassen, wenn ich dir alles sage?“
„Ja. Aber du weißt ja nichts!“
„Ich weiß es. Melton hat mir geboten, zu schweigen.“
„So öffne endlich den Mund. Was ist mit den Einwanderern geschehen?“
„Halt erst du dein Wort! Weißt du, was ich dir, als du uns gefangennahmst, gesagt habe? Daß ich dir deine Fragen nur als freier Mann beantworten werde.“
„Und ich meinesteils habe dir mitgeteilt, daß ich dir die Freiheit nicht eher gebe, als bis du meine Fragen beantwortet hat.“
„Ich bleibe bei meiner Entscheidung, und so mußt du dich anders besinnen.“
„Auch ich werde meinen Entschluß nicht ändern, und so bleibt es bei dem, was ich gesagt habe: Der ‚Starke Büffel‘ wird euch morgen fortschaffen.“
Ich wandte mich abermals zum Gehen. Dieses Mal ließ er mich weiter fort; dann rief er mir nach:
„Old Shatterhand mag noch einmal herkommen!“
Ich ging hin und bedeutete ihm in entschlossenem Ton:
„Ich sage jetzt mein letztes Wort: Erst mußt du reden, dann lasse ich dich frei; das Umgekehrte geschieht auf keinen Fall. Jetzt entscheide dich kurz! Willst du sprechen?“
„Ja, ich hoffe aber, daß du dann auch sogleich dein Wort hälst!“
„Was ich sage, das gilt. Also, hat Melton dich zum Überfall der Hazienda aufgefordert?“
„Nein.“
„Haben die beiden Bleichgesichter, welche Weller heißen, mit Melton im Einverständnis gestanden?“
„Nein.“
„Aber Melton hat die Hazienda gekauft?“
„Ja.“
„Welche Absicht verfolgt er mit den Einwanderern?“
Er zögerte eine längere Weile, als ob er sich eine Ausrede aussinnen oder den nötigen Mut schöpfen wolle, eine schon ausgesonnene Lüge auszusprechen, und erst als ich meine Frage wiederholte, antwortete er:
„Er will sie verkaufen.“
„Verkaufen? Was? Menschen verkaufen! das ist gar nicht möglich!“
„Es ist möglich. Das mußt du sogar noch besser wissen, als ich es weiß, denn du bist ein Bleichgesicht, und nur Bleichgesichter kaufen und verkaufen Menschen. Oder willst du leugnen, daß die schwarzen Leute auch Menschen sind? Hat man nicht mit ihnen als Sklaven Handel getrieben?“
„Hier ist von Schwarzen keine Rede. Ich spreche von Bleichgesichtern, welche man nicht als Sklaven kauft.“
„Und doch werden sie gekauft! Ich habe gehört, daß es Kapitäne gibt, welche so böse Menschen sind, daß sie keine Matrosen bekommen. Wenn nun so ein böser Kapitän Matrosen braucht, so stiehlt oder kauft er welche.“
„Ah! Hm! Willst du etwa sagen, daß die weißen Einwanderer an einen solchen Kapitän verkauft worden sind?“
„Ja.“
„Von wem?“
„Von Melton. Die Auswanderer gehören ihm; er kann also mit ihnen machen, was ihm gefällt. Er hat sie aus ihrem Land geholt und dort sehr viel Geld für sie bezahlt.“
„Das ist nicht sein Geld, sondern dasjenige des Haziendero gewesen.“
„So hat er diesem die Hazienda und mit ihr die Weißen abgekauft. Er hat das Geld wiederhaben wollen, und da sie es ihm nicht geben konnten, hat er sie an den Häuptling des Schiffes verkauft.“
„Woher weißt du das?“
„Von ihm selbst. Ehe ich ihm die Freiheit wiedergab, sagte er mir, daß er sie verkaufen werde.“
„Wo befand sich denn der Häuptling des Schiffes?“
„In Lobos. Jetzt habe ich dir alles gesagt, was ich weiß; dein Wunsch ist erfüllt, und ich verlange, daß du auch den meinigen erfüllst.“
„Verlangst du das wirklich? So! Du bist ein kluger, ein sehr kluger Mann; aber du hast nicht in Betracht gezogen, daß es Leute gibt, welche noch viel klüger sind.“
„Was meinst du mit diesen Worten? Ich verstehe sie nicht.“
„Wer einen, der klüger ist als er selbst, mit Lügen täuschen will, muß sehr vorsichtig sein und sich jedes Wort vorher reiflich überlegen. Das magst du dir
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