37 - Satan und Ischariot I
er. „Ich bin noch niemals hier an dieser Ecke gewesen.“
„Hm! Ihr scheint vergessen zu haben, was Euch bevorsteht, falls Ihr auf den dummen Gedanken kommen solltet, uns täuschen zu wollen! Ich bin nichts weniger als ein Menschenfresser; aber wenn jemand mich für einen Dummerjan hält, so nimmt er mich von einer Seite, welche meine schwache ist, und muß gewärtig sein, daß ich explodiere. Merkt Euch das! Ihr seid ein schlauer Gast und habt schon manchen Mann übertölpelt; bei uns aber gelingt Euch dieses nicht. Wollt Ihr also eingestehen, daß Ihr hier gewesen seid und hier angehalten habt?“
Er wußte nicht, ob er gestehen oder leugnen sollte, und schwieg also.
„Soll ich Euch den Mund wieder öffnen, so wie ich Euch heute früh zum Reden gebracht habe? Um Euch Eure Lage klarzumachen, will ich Euch aufrichtig sagen, daß es uns nicht in den Sinn kommt, Euch etwas zu tun, falls Ihr den Verstand besitzt, Euch in dieselbe zu schicken; falls Ihr aber meint, uns betrügen zu können, so habt Ihr Euch eine Rechnung gemacht, welche wir mit einem einzigen Querstrich quittieren. Von mir will ich nicht sprechen; aber meint Ihr etwa der Mann zu sein, der einen Winnetou irrezuführen vermag? Wir wissen, daß wir uns in der Nähe des ersten Postens befinden. Wir würden ihn auch ohne Euch entdecken; wir brauchen ja nur Eure Spur weiterzuverfolgen, doch können wir dadurch Zeit gewinnen, daß Ihr uns die Stelle sagt.“
„Das darf ich nicht; es wäre ein Verrat“, antwortete er.
„Gebt euch doch nicht auf einmal das Ansehen eines ehrlichen und gewissenhaften Mannes! Wer soviel auf dem Gewissen hat wie Ihr, dem pflegt es auf etwas mehr oder weniger nicht anzukommen. Übrigens verlange ich nichts Böses von Euch. Was ich von Euch fordere, ist keine Schande, sondern eine gute Tat. Entschließt Euch kurz; wir haben keine Zeit! Seid ihr uns zu Willen, dann gut; wo nicht, so werdet Ihr sehen, was geschieht! Wollt Ihr uns nun sagen, wo der Posten sich befindet?“
Bei dieser Frage ergriff ich eine seiner Hände und drückte dieselbe, daß die Knöchel knackten.
„Haltet ein, haltet ein!“ rief er. „Ich will es sagen!“
„Dann gut! Aber redet die Wahrheit! Bis jetzt haben wir keinen Grund, Euch ans Leben zu gehen, darum versicherte ich Euch, daß es nicht unsere Absicht ist, Euch etwas zu tun; aber falls Ihr uns durch Lügen Fatalitäten bereiten solltet, so gebt Ihr uns die Veranlassung, welche wir jetzt noch nicht haben, und das Messer oder eine Kugel ist Euer Lohn! Wo steht der Posten?“
„Nicht weit von hier“, antwortete er, den Blick starr und bang auf meine Hand gerichtet, mit welcher ich die seinige noch fest umschlossen hielt.
„Wie lange reitet man bis dorthin?“
„Eine gute halbe Stunde.“
„Beschreibt die Gegend! Aber ein einziger unwahrer Buchstabe oder Laut kostet Euch das Leben!“
„Von hier aus geht es über das Grasland, welches Ihr hier vor Euch liegen seht. Dann kommt man wieder an einen Wald, welcher sich bergauf zieht. Jenseits der Höhe gibt es einen Wassertümpel, und an diesem liegt der Posten.“
„Ist der Wald dicht?“
„Ja. Aber es führt ein lichter Streif, fast wie ein ausgehauener Weg, nach der Höhe und nach dem Tümpel.“
„Kann man von der Höhe aus den offenen Plan, über den wir reiten müssen, überblicken?“
„Nein. Die Bäume sind zu hoch.“
„Haben die fünf Indianer an dem Tümpel zu bleiben?“
„Natürlich; aber da sie sich durch die Jagd mit Fleisch versorgen müssen, ist es leicht möglich, daß einer von ihnen sich diesseits der Höhe befindet und uns kommen sieht.“
„Womit sind sie bewaffnet?“
„Mit Pfeilen und Lanzen.“
„Wie heißt ihr Anführer, nämlich der Anführer aller Yumas, um welche es sich handelt, auch der dreihundert, die in Almadén sind?“
„Wer sie jetzt befehligt, weiß ich nicht. Später wollte der ‚Große Mund‘ kommen, mit welchem Melton einen Kontrakt abgeschlossen hat.“
„Das genügt. Das übrige über Melton brauche ich jetzt noch nicht zu wissen. Ihr seid schon einmal in Ures gewesen und kennt den Weg, den man von dort aus nach Almadén alto einzuschlagen hat?“
„Ja.“
„Er führt sehr wahrscheinlich auch an dem Tümpel vorüber, an welchem der Posten liegt?“
„So ist es, denn er stößt dort mit dem von der Hazienda kommenden zusammen.“
Ich hatte diese Fragen nicht ohne Absicht getan; ich dachte dabei an den Haziendero, den Jurisconsulto und die drei Polizisten, welche, wie
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