37 - Satan und Ischariot I
mich aller weiteren Fragen enthoben.“
„So werde ich Sie entlassen, sobald Sie den Wert meiner Auskünfte anerkannt haben.“
„Ja, anerkannt haben“, stimmte die Señora in bezauberndem Ton bei, wozu der Papagei ein allerliebstes halblautes Klingen und Singen hören ließ.
„Ich werde Sie über diesen Wert auf das gewissenhafteste aufklären“, antwortete ich. „Da Sie immer nur mit ‚Nein‘ geantwortet haben, besitzen Ihre Antworten für mich leider nicht eine Spur von Wert.“
„Wie? Was? Wollen Sie damit sagen, daß Sie nichts zahlen wollen?“
„Allerdings.“
Er trat zwei Schritte zurück, maß mich mit zornigen Augen und drohte:
„Ich kann Sie zwingen, Señor!“
„Nein! Auch ich bin ein Deutscher. Ich habe nur ausländisches Geld bei mir, und da ich Ihnen nach Ihren eigenen Worten nicht zumuten darf, sich mit ausländischen Angelegenheiten, Personen, Verhältnissen und Dingen zu befassen und mein Geld doch sicher zu den ausländischen Dingen gehört, so kann ich doch unmöglich mich an Ihrer inländischen Selbstachtung dadurch versündigen, daß ich Ihnen eine fremde Münze anbiete.“
Die Señora warf ihre Zigarette weg und wetzte ihre Lippen an den Zähnen. Der Papagei hob die Flügel und riß den Schnabel auf. Der Señor trat noch einen Schritt zurück und fragte in kollerndem Ton:
„Also nur fremdes Geld?“
„Ja. Die einzigen einheimischen Gegenstände, welche ich Ihnen verehren kann, sind diese beiden Zigaretten, die ich hiermit in den Tabakskasten lege.“
Ich warf die Zigaretten in den Tabak, wobei der Papagei mit dem Schnabel nach meiner Hand hackte.
„So wollen Sie nichts, gar nichts zahlen?“ fragte der Señor.
„Nein.“
Ich griff nach meinen Gewehren, welche ich an die Wand gelehnt hatte, um mich schnell zu entfernen.
„Ein Geizhals, ein wortbrüchiger Mensch!“ donnerte der ewig Lange mit seiner Bauchrednerstimme.
„Ein Ausländer, ein Habenichts, ein Vagabund!“ kreischte die Doña wütend hinter mir her.
„Eres ratero, eres ratero, ratero – du bist ein Spitzbube, du bist ein Spitzbube, ein Spitzbube!“ hörte ich den Papagei schreien, als ich mit raschen Schritten über den Hof eilte, um hinaus auf die Straße zu gelangen. Da stand, meiner wartend, der Polizist, streckte mir die Hand entgegen und meinte:
„Eine Gabe für die Auskunft, welche ich Ihnen erteilt habe! Mein Gehalt ist so gering, und ich habe ein Weib mit vier Kindern zu ernähren!“
„Dafür kann ich nicht; da ist nichts zu machen“, antwortete ich ihm mit seinen eigenen Worten, band mein Pferd los, stieg auf und ritt davon. Wäre ich bei nur einigermaßen besserer Laune gewesen, so hätte wenigstens er etwas bekommen.
Die Hoffnung, welche ich auf die Meldung bei der hiesigen Behörde gesetzt hatte, war eine vergebliche gewesen. Bei solchen Zuständen, welche heutzutage wohl andere sind, ist es am besten, stets nach dem Grundsatz ‚Selbst ist der Mann‘ zu handeln. Fort also mit der Rechnung auf fremde Leute und auf fremde Hilfe! –
Als ich mich weit genug von dem Stadthaus entfernt hatte, stieg ich an einem ‚Hotel‘ ab, um da etwas zu essen und zu trinken, das Pferd tränken und füttern zu lassen und mich nach einem Kleiderladen zu erkundigen. Ein solcher lag in der Nähe, und ich bekam da, allerdings zu einem sündhaften Preis, das, was ich suchte, einen guten, mexikanischen Anzug, der wie für mich gefertigt war, aber eine fast vollständige Ebbe in meinem Beutel zur Folge hatte. Die Sorge für die nächste Zukunft riet mir, mich in ausgiebiger Weise mit Schießbedarf zu versehen, und als ich dies getan hatte, war mein Bargeld so zur Neige gegangen, daß ich trotz alles Schüttelns der Tasche und des Beutels nichts mehr klingen hörte. Das konnte mir aber keine Sorgen machen, da ich jetzt voraussichtlich in Verhältnisse und durch Gegenden kam, in denen der Besitz von Geld nicht nur überflüssig, sondern sogar gefährlich gewesen wäre. In jenen Breiten und Verhältnissen war damals und ist wohl unter Umständen auch noch heute ein zuverlässiges Gewehr in der Hand besser als ein voller Beutel in der Tasche. So ritt ich denn, den in die Decke gewickelten neuen Anzug hinter mir aufgeschnallt, wohlgemut zur Stadt hinaus, um eine kleine Hoffnung getäuscht, doch um eine wichtige Erfahrung reicher.
Ich hatte mich nämlich im Gasthof nach der Hazienda del Arroyo erkundigt und erfahren, daß dieselbe einen vollen Tagesritt weit ostwärts zwischen bewaldeten Bergen an
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