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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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durchschaut hatte, so war nicht einzusehen, warum ich nicht auch äußerlich zugeben sollte, daß ich nicht unter die ‚Landstreicher‘ zu rechnen sei.
    Gestern war von mir angenommen worden, daß wir den Fluß einige Meilen oberhalb Ures passiert hatten; jetzt stellte sich heraus, daß diese Schätzung richtig gewesen war. Noch war keine Stunde vergangen, so nahm die Gegend ein ganz anderes Aussehen an. Sie wurde um so belebter, je weiter ich kam; Landgüter tauchten auf; das Pferd bekam gebahnte Wege unter die Füße; dann ritt ich zwischen Gärten dahin und gelangte schließlich in die Stadt, welche einen bedeutend besseren Eindruck auf mich machte, als ich auf die mir begegnenden Bewohner derselben zu machen schien, denn ich sah die keineswegs hochachtungsvollen Blicke, welche sie auf mich warfen. Ich erkundigte mich bei einem derselben nach der Casa de Ayuntamiento, stieg, als ich dieselbe erreicht hatte, vom Pferd, band dasselbe an, trat ein und fragte einen der herumlungernden Polizisten nach dem Alcaide del distrito. Der Mann wies mich in den Hof, in welchem ich eine Tür sah, deren Aufschrift mir sagte, daß sich hinter derselben die Expedition dieses höchsten Beamten des Distriktes befinde. Als ich anklopfte, hörte ich im Innern eine antwortende Stimme und trat ein, um sofort eine sehr, sehr tiefe Verbeugung zu machen, denn ich befand mich nicht einem Herrn, sondern einer Dame gegenüber.
    Hier war auch nicht das geringste von alledem zu sehen, was der Deutsche mit einem Expeditionszimmer, einem Büro, in Verbindung bringt. Es gab vier leere, weiß getünchte Wände. In den fest gestampften Boden waren vier weiß, rot und grün, also in den Nationalfarben angestrichene Pfähle getrieben, an denen zwei Hängematten hingen. In der vorderen Hängematte lag eine sehr junge Dame, Zigaretten rauchend und nicht allzu wählerisch in ein nicht allzu weißes Morgengewand gekleidet. Ihr noch nicht geordnetes Haar hatte sich wahrscheinlich schon gestern und auch vorgestern in demselben Zustand befunden. Über ihr saß, an eine Kette gefesselt, ein Papagei, welcher mich mit zornigem Krächzen empfing. Erst später bemerkte ich, daß die zweite, hintere Hängematte nicht leer war. Also ich verbeugte mich tief und fragte dann im höflichsten Ton, ob es mir gestattet sei, den Alcaide de distrito zu sprechen. Die Dame musterte mich mit scharfen Augen, warf mir dann die Hand entgegen, als ob ich Luft sei, und wendete das Köpfchen ab, ohne mir eine Antwort zu geben. Dafür aber sträubte der Papagei sein Gefieder, riß den krummen Schnabel auf und kreischte mir zu:
    „Eres ratero!“
    Diese Begrüßung lautet zu deutsch: ‚Du bist ein Spitzbube!‘ Die Dame liebkoste den Vogel ob dieses geistreichen Ausrufes, und ich wiederholte meine Frage in der vorherigen höflichen Weise.
    „Eres ratero!“ schrie der Papagei, während die Dame in ihrem Schweigen verharrte.
    Ich wiederholte meine Frage abermals.
    „Eres ratero, ratero, ratero!“ schimpfte der gefiederte Verleumder, und die Dame gab sich nun die Mühe, mit der Hand nach der Tür zu winken, um mir auf diese sinnige Weise anzudeuten, daß sie sich und ihren Papagei von mir befreit sehen wolle.
    Ich öffnete also die Tür, doch ohne mich zu entfernen, blickte hinaus und sah den Polizisten, welcher mich hierher gewiesen hatte. Da er nach der anderen Seite schaute, steckte ich den Finger in den Mund und pfiff so schrill, wie ich nur pfeifen konnte. Der Papagei pfiff mit; die Dame kreischte auf, gerade auch wie ein Papagei, und der Polizist drehte sich nach mir um. Ich winkte ihn herbei und fragte, als er herangekommen war:
    „Ist hier wirklich das Amtslokal des Alcaide de distrito?“
    „Ja, Señor“, antwortete er.
    „Wo ist er dann?“
    „Na, da im Lokal!“
    „Ich sehe ihn doch nicht, und die Señora antwortet mir nicht!“
    „Dafür kann ich nicht; da ist nichts zu machen.“
    Er wandte sich ab und ging davon. Ich drehte mich also wieder nach der Dame um und wiederholte meine Frage, diesmal aber nicht im höflichen Ton. Da richtete sie sich auf, blitzte mich aus ihren dunklen Augen an und antwortete:
    „Hinaus, sofort, sonst lasse ich Sie einsperren! In welcher Kleidung kommen Sie! Man sieht ja sofort, daß Sie die Amtshandlung nicht bezahlen können!“
    Der Papagei schlug mit beiden Flügeln, hackte mir mit dem Schnabel entgegen und schrie: „Eres ratero, eres ratero!“ Ich aber zog kaltblütig meinen Beutel aus der Tasche, nahm einige Goldstücke

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