37 - Satan und Ischariot I
heraus und begann, ohne ein Wort zu sagen, dieselben aus einer Hand in die andere zu zählen. Sofort ahmte der Papagei mit wirklich täuschender Stimme den Klang des Goldes nach, und die Dame wendete sich nach der anderen Hängematte, um im lieblichsten Flötentone zu sagen:
„Erhebe dich, mein Lieber! Es ist ein Caballero da, welcher höchst notwendig mit dir zu sprechen hat. Ich werde ihm eine Zigarette drehen.“
Unter dem Sitz des Papageis war ein Kästchen angebracht, in welchem sich Tabak und Zigarettenpapier befanden. Sie nahm eines dieser Papiere in den Mund, um es mit Speichel anzufeuchten, legte eine Prise Tabak darauf und drehte beides mit ihren niedlichen Fingen in Raupenform, brannte diese Raupe an ihrem Stummel an und reichte sie mir dann mit einem herzgewinnenden Lächeln zu.
Hm! Das Anfeuchten! Diese Fingerchen, bei deren melierter Färbung man im unklaren war, ob sie in Handschuhen steckten oder einen sonstigen Überzug hatten! Und dazu der Ort, an welchem sich der Tabak befand, gerade unter dem Papagei! Kurz und gut, ich nahm die Zigarette zwar mit einer tiefen Verbeugung an, hütete mich aber, sie nach dem Mund zu führen.
Indessen hatte sich im Hintergrund eine Bewegung geltend gemacht, welche mich veranlaßte, diese Richtung meine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die zweite Hängematte geriet ins Schaukeln, und aus ihr entwickelte – ich sage mit vollster Absicht, entwickelte – sich eine lange, ewig lange und erschrecklich hagere Gestalt, welche mit langsamen, unhörbaren, geisterhaften Schritten auf mich zukam, vor mir stehenblieb und mich in einem hohlen Bauchrednerton fragte:
„Wieviel Sporteln sind Sie bereit zu zahlen, Señor!“
„Ich zahle nach dem Wert der Antworten, welche ich erhalte“, antwortete ich.
Der ewig Lange drehte sich nach seinem jungen Weib um und meinte unter einer gräßlichen Gesichtsverzerrung, welche jedenfalls ein freundliches Lächeln sein sollte:
„Hörst du es, mein Täubchen? Er zahlt nach dem Wert. Da aber alles, was ich sage, für jedermann von hohem Wert ist, so bitte ich dich, dem Señor noch eine Zigarette zu drehen.“
Sie folgte dieser Aufforderung mit sichtbarem Vergnügen, und als ich dann zwei von ihr angebrannte, zwischen meinen Fingern aber wieder ausgelöschte Tabakswürmer in der Hand hielt, forderte mich ihr edler Ehegemahl auf:
„Nun tragen Sie mir getrost und mit Vertrauen Ihre Wünsche vor, Señor! Sie stehen vor dem besten Ihrer Freunde.“
Auch der Papagei ließ so zarte sanfte Schluchzer und Gluchzer hören, daß mir ganz wonnig zu Mute wurde. Ich befand mich jedenfalls den beiden besten und edelsten der Menschen und dem traulichsten der Papageien gegenüber und erkundigte mich also mit hingehendster Offenheit:
„Ist Ihnen vielleicht der Name Timoteo Pruchillo bekannt, Señor?“
„Nein. Auch dir nicht mein Täubchen?“
„Nein“, antwortete das Täubchen.
„Ich suche eine Hazienda del Arroyo, welche nicht sehr weit von Ures zu liegen scheint. Können Sie mir Auskunft erteilen?“
„Nein. Auch du nicht, mein Täubchen?“
„Nein“, echote das Täubchen.
„Timoteo Pruchillo hat deutsche Emigranten kommen lassen, welche auf seiner Hazienda arbeiten sollen. Wer hat diese Leute zu beschützen, falls er es nicht ehrlich mit ihnen meint?“
„Ich nicht, Señor.“
„Aber wer denn sonst?“ fragte ich.
„Deutschland mit seinen Gesandtschaften oder Konsulaten.“
„Gibt es hier ein Konsulat?“
„Nein.“
„Aber wenn diese Leute in Not oder gar Gefahr kommen, so muß doch jemand hier sein, der sich ihrer annimmt!“
„Nein, es ist niemand da.“
„Aber, Señor, selbst angenommen, daß die Leute recht- und schutzlos sind, weil kein Vertreter ihres Vaterlandes sich im hiesigen Distrikt befindet, so ist doch zu erwarten, daß ein Mexikaner, falls er unehrlich oder gar noch schlimmer an ihnen handelte, von der hiesigen Behörde zur Verantwortung gezogen würde?“
„Nein, Señor. Was mit Ausländern geschieht, geht mich nichts an.“
„Wenn nun ein Bewohner Ihres Distriktes einen Deutschen tötete, was würden Sie da tun, Señor?“
„Nichts, gar nichts. Meine Untertanen machen mir so viel zu schaffen, daß ich mich mit Angehörigen fremder Länder nicht befassen kann. Mit ausländischen Personen, Angelegenheiten, Verhältnissen und Dingen können wir uns unmöglich abgeben. So etwas dürfen Sie von uns nicht verlangen. Wünschen Sie sonst noch etwas, Señor?“
„Nein, Ihre bisherigen Antworten haben
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