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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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biegsam und elastisch war, daß ich kein verräterisches Rascheln zu befürchten hatte, falls ich zu einer unvorhergesehenen Bewegung gezwungen sein sollte.
    Warum legte ich mich eigentlich hierher, um den Feind zu ertappen? Es war doch nicht ein ungefährliches Unternehmen. Ich hätte den Anschlag einfach dadurch zunichte machen können, daß ich die Richtung vermied, in welche der Mormone uns gewiesen hatte; dann hätte er mir vergeblich aufgelauert. Wenn ich mir diese Frage heute vorlege, so muß ich offen und ehrlich sagen, daß es die liebe Eitelkeit war, welche mich dazu trieb, die Gefahr des Handelns der Sicherheit der Unterlassung vorzuziehen. Es gelüstete mich, Melton zu zeigen, daß ich klüger sei, als er mich taxiert hatte. Daß ich dabei das Leben riskierte, wurde, wie so oft, später erwogen.
    Als ich es mir unter dem Gezweig bequem gemacht hatte, legte ich das Ohr auf die Erde, um zu horchen. Wird er kommen oder nicht? Ich befand mich in der gespanntesten Erwartung. Da hörte ich Schritte, das Rauschen der Äste, welche er berührte, das Stolpern seiner Füße über die hervortretenden Wurzeln, ja sein Stoßen an die Stämme, welche er im Waldesdunkel nicht deutlich zu sehen vermochte. Er kam schnell näher. Schon hörte ich auch das laute Arbeiten seiner Lunge, denn er war außer Atem. Jetzt bog er nach der Ecke ein, arbeitete sich rasch bis an die Spitze derselben, blieb da stehen und streckte den Kopf hervor, um zu horchen.
    „'s death!“ fluchte er halblaut und in englischer Sprache. „Tod und Teufel! Mein Atem geht so laut, daß ich nichts anderes zu hören vermag. Der Schuft wird doch nicht etwa schon vorüber sein? Unmöglich! Ich bin gelaufen wie ein Verrückter, und sie gehen langsam, um nicht in die Gräben zu stürzen. Hahahaha! Doch still, ich glaube, sie kommen!“
    Er ließ sich auf das rechte Knie nieder, stemmte den linken Ellbogen auf das linke und legte das Gewehr an. Ich sah ihn ganz deutlich und bestimmt, denn er kniete an einer Lücke, durch welche sich der Sternenschimmer stahl. Ich hatte gerechnet, daß er sich mehr links plazieren werde, und mußte mich also, um ihm nahe zu kommen, nach dieser Richtung schieben. Wenn ich dabei ein leises Geräusch verursachte, so überhörte er es, weil seine ganze Aufmerksamkeit nach außen gerichtet war.
    Jetzt hörte ich die Indianer kommen.
    „Zum Henker!“ flüsterte er. „Die Hunde halten sich entfernter als ich dachte. Da gilt es, scharf zu zielen.“
    Ich wunderte mich keineswegs darüber, daß er mit sich selbst sprach. Ich wußte von mir selbst, daß die Aufregung, je größer sie ist, sich desto leichter in Worten Luft macht. Er hob und senkte das Gewehr zur wiederholten Prüfung und hielt es dann fest im Visier. Jetzt mußte ich handeln, da er doch möglicherweise einen der Knaben für mich halten und auf ihn schießen konnte. Ich richtete mich hinter ihm halb auf, nahm ihn beim Hals und riß ihn hintenüber. Er stieß einen Schrei aus und ließ das Gewehr fallen. Da er mit dem Kopf zwischen meine Beine zu liegen gekommen war, stemmte ich ihm die beiden Knie rechts und links auf Brust und Schultern und griff nach seinen Händen, mit denen er krampfhaft hin und her fuhr; ich faßte sie – ein Knack und ein Schmerzensruf – noch ein Knack und ein noch lauteres Brüllen – er lag halb wehrlos unter mir, da ich ihm in der Hitze des kurzen Kampfes die beiden Hände in den Gelenken gebrochen hatte. Er konnte nur mit den Füßen vor sich stoßen; sich aufzurichten vermochte er nicht, da ich schwer auf ihm kniete. Die Arme bewegte er wohl, konnte mir aber mit seinen schlaff herabhängenden Händen nichts anhaben. Desto mehr arbeitete er mit den Stimmwerkzeugen. Er schrie wie ein Gepfählter, ob vor Wut, vor Angst oder vor Schmerzen, das wußte wohl er selber nicht, wahrscheinlich aber wohl aus allen drei Gründen.
    Indem ich ihn niederhielt, sah ich, daß die Indianer trotz seines Geheuls nach meiner Weisung ruhig und ohne anzuhalten draußen vorüber wollten. Da rief ich ihnen zu:
    „Meine jungen Brüder mögen hierherkommen und ihre Schwester draußen bei dem Pferd lassen!“
    Sie folgten schnell meiner Weisung und banden dem Mormonen die Arme und Beine zusammen, was ich, wenn es nötig gewesen wäre, auch allein fertiggebracht hätte. Dann schafften wir ihn hinaus, wo wir sein Gesicht deutlicher sehen konnten. Sein Geschrei hatte aufgehört; er lag ganz ruhig da.
    „Nun, Master Melton“, sagte ich in englischer Sprache,

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