37 - Satan und Ischariot I
letzteren Worte waren an den Majordomus gerichtet; dann wendete er sich an mich:
„Wir suchten Sie vergeblich. Wie kommen Sie hierher?“
„Auf die allereinfachste Weise“, antwortete ich. „Sie wissen, daß mein Pferd durchging; es ist mit mir bis hierher gelaufen.“
„Sonderbar! Sie werden mir später von diesem eigentümlichen Ritt zu erzählen haben!“
„Dazu gibt es keine Zeit; ich muß fort; man hat mich hinausgeworfen.“
„Und dafür machen Sie sich das Vergnügen, die Leute ein wenig ins Wasser zu werfen!“
„Allerdings. Das ist so eine Eigentümlichkeit von mir, die ich nicht wohl abzulegen vermag.“
„Ich muß erfahren, was geschehen ist, und es wird sich alles aufklären. Warten Sie nur, bis ich mit Don Timoteo gesprochen habe! Bleiben Sie noch da; ich komme bald zurück!“
Er stieg vom Pferd und ging in das Haus. Der nasse Majordomus hinkte hinter ihm drein, ohne mir das Entzücken zu gönnen, einen seiner Blicke aufzufangen.
Was sollte ich tun, bleiben oder gehen? Ich war natürlich fest entschlossen, die Hazienda zu verlassen, besaß jedoch auch Neugierde genug, zu erfahren, wie der Mormone es anfangen werde, mich hier zu halten, denn es stand bei mir fest, daß es nicht in seiner Absicht lag, in meine Entfernung zu willigen. Ich brach also nicht sofort auf, ging aber zu meinem Pferd, um das Paket, in welchem sich mein neuer Anzug befand, vom Sattel zu schnallen. Meine Gewehre hingen am Sattelknopf. Ich nahm auch sie herab. Dabei benachrichtigte ich die beiden Knaben und die Squaw:
„Meine jungen Brüder und meine Schwester haben gesehen, daß man mich nicht freundlich empfangen hat. Der Haziendero nimmt uns nicht auf, weil er die Rache des Häuptlings der Yuma befürchtet. Wir werden also fortgehen und diese Nacht im Wald schlafen.“
„Wer ist der Reiter, welcher jetzt kam und mit Old Shatterhand gesprochen hat?“ fragte der ältere der Brüder.
„Ein Freund des ‚Großen Mundes‘, ein böser Mann, vor dem wir uns sehr zu hüten haben.“
Das Pferd der Squaw hatte nun die drei indianischen Sättel zu tragen. Wir schnallten oder banden sie fest und waren nun also alle vier Fußgänger geworden. Da kam der Mormone aus dem Haus und über die Brücke eilig zu uns entgegen.
„Señor“ meldete er, „die Angelegenheit ist geordnet. Sie werden auf der Hazienda bleiben.“
„Wieso?“
„Don Timoteo, welcher allerdings bisher keines Buchhalters bedurfte, hat, als er mit Ihnen sprach, gar nicht daran gedacht, daß er nach dem Eintreffen der vielen Arbeiter einer solchen Hilfe gar nicht entbehren kann. Kommen Sie also wieder mit herein! Er will Sie engagieren. Sie dürfen hierbleiben.“
„So? Ich darf also, darf, darf! Dieser Ausdruck ist wohl falsch. Ums Dürfen handelt es sich nicht, sondern darum, ob ich will.“
„Meinetwegen! Aber Sie werden doch gewiß wollen!“
„Nein, ich will nicht. Sie sehen, daß wir im Begriff stehen, aufzubrechen.“
„Begehen Sie keinen Fehler!“ mahnte er eifrig. „Sie kennen die hilflose Lage, in der Sie sich befinden. Hier wird Ihnen eine Zukunft geboten, welche eine glänzende genannt wer – – –“
„Bitte, keine Redensarten!“ fiel ich ihm ins Wort. „Ich weiß, was ich von denselben zu halten habe.“
„Hoffentlich sind Sie überzeugt, daß ich es ehrlich meine. Bleiben Sie, so dürfen auch diese drei Personen bleiben, auf welche Sie doch wohl Rücksicht zu nehmen haben.“
„So meinen Sie, daß ich, um ihnen hier für eine einzige Nacht Unterkunft zu verschaffen, ein jahrelanges Engagement eingehen werde? Das ist wohl mehr als naiv!“
„Sie sprechen im Zorn, und der Zorn macht blind. Denken Sie doch an Ihre Landsleute! Ich bin vorausgeritten, um dem Haziendero ihre Ankunft zu melden; sie alle haben Sie liebgewonnen und befinden sich in Sorge um Sie. Sie werden der Mittelpunkt sein, um welchen sich die Auswanderer hier vereinigen. Denken Sie sich die Enttäuschung, wenn die guten Leute erfahren, daß Sie abgelehnt haben und ohne allen Abschied von ihnen fortgegangen sind!“
Er suchte in dieser Weise alle Gründe hervor, welche ihm geeignet erschienen, mich zum Bleiben zu bewegen, natürlich aber vergeblich. Als er einsah, daß ich nicht wankend zu machen sei, schlug er einen anderen Ton, nämlich den des Zornes, an:
„Nun, wenn Sie Ihr Glück mit Füßen treten wollen, so kann ich nichts dagegen haben; aber jedenfalls ist es von Ihnen eine Undankbarkeit sondergleichen gegen mich. Ich habe mich Ihrer
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