39 - Satan und Ischariot III
ich ihn, sofort. Soll ich es Ihnen beweisen?“
„Ja.“
„Gut, Señora! Hier haben Sie ihn!“
Er schob den Vorhang auseinander, nahm meine Hand und zog mich hinein. Als sie mich erblickte, stand sie vor Schreck sprachlos.
„Sie sehen, Señora“, sagte ich, „ich werde nicht nur schnell gefunden, sondern ich finde mich auch selbst schnell zurecht. Kaum unter uns in der Unterwelt eingesperrt, sehen Sie mich wieder hier oben, ohne daß Sie die Güte gehabt haben, mir die Leiter hinabzulassen. Sie freuen sich doch jedenfalls darüber, mich so wohl wiederzusehen?“
„Ja, ja, ich freue mich; ganz, ganz außerordentlich freue ich mich!“ rief sie aus, indem sie die Fäuste ballte und die Zähne zusammenbiß.
„So will ich Ihre Freude durch die Mitteilung verdoppeln, daß auch Winnetou und Señor Vogel sich an der Oberwelt befinden. Der unterirdische Kanal hat nicht nur Ihren Verlobten, sondern auch uns an die Freiheit geführt.“
Da fuhr sie mich wie eine Katze an:
„Sie haben tausendmal mehr Glück, als Sie Verstand besitzen! Aber freuen Sie sich nur nicht zu sehr! Den schönsten, den gelungensten Streich habe doch ich Ihnen gespielt!“
„Welchen denn?“
„Eben den, daß ich Melton fortgeholfen habe. Er ahnte von dem Kanal nichts. Kein Mensch wußte, daß man durch das Wasser aus dem Pueblo gelangen kann; ich wußte es allein. Mein Mann, der Häuptling, hat mir das Geheimnis für etwaige Notfälle mitgeteilt.“
„Und ein solcher Notfall war heute eingetreten!“
„Ja. Ich zeigte ihm erst heute den Rettungsweg, und kaum eine halbe Stunde später hörten wir Ihre Namen rufen. Sie waren da. Jonathan aber beeilte sich, Ihnen zu entkommen, und er – er ist Ihnen auch entkommen!“
„Mag er! An seiner Person liegt mir gar nichts. Das Geld hat er doch dagelassen.“
„Meinen Sie? Meinen Sie das wirklich? Wie klug Sie sind! Und für wie dumm sie ihn halten! Sie denken, hier nur zuzugreifen zu brauchen! Aber da irren Sie sich gewaltig. Er hat das Geld mitgenommen.“
„Nur einen Teil desselben!“
„Nein, das ganze, das ganze! Es war eine ganze Ledertasche voller Staats- und Wertpapiere!“
„Alle Wetter! Das ist freilich Pech! Und sein Alter ist auch fort!“
Ich sagte das in möglichst zornigem Ton.
„Auch?“ fragte sie, indem ihre Augen vor Vergnügen funkelten. „Woher wissen Sie das?“
„Sein Nest ist leer.“
„Haben Sie denn sein Nest gekannt?“
„Es liegt eine Etage über Ihnen. Wir sind nicht durch die Felsenenge gekommen, sondern an mehreren zusammengeknüpften Lassos in das Tal heruntergeklettert, und gerade als man uns bemerkte und um Hilfe rief, ist der alte Melton unten am Feuer bei den Wächtern gewesen und zur Felsenenge hinaus entwischt.“
„Herrlich, herrlich!“ jubelte sie. „Gleich darauf ist sein Sohn durch den Kanal geflohen, und sie haben sich jedenfalls getroffen und sind miteinander fort.“
„Wohin?“
„Wohin? Ja, ja, das fragen Sie! Das möchten Sie wohl gar zu gern wissen?“
„Natürlich. Ich bin in diesem Fall ebenso neugierig wie Sie. Sie möchten doch wohl auch gern wissen, wohin Ihr Geliebter Ihnen entwischt ist?“
„Mir entwischt, mir, hahaha!“ lachte sie.
„Lachen Sie nur! Sie täuschen mich doch nicht. Er ist auch Ihnen entwischt. Sie werden ihn und sein Geld niemals wiedersehen.“
„Niemals? Señor, ich sage Ihnen, daß ich ihn wiedersehen werde, sobald ich nur will!“
„Unsinn! Sie wissen nicht, wohin er sich gewendet hat.“
„Ich weiß nicht nur das, sondern ich weiß sogar auch, wo er auf mich warten wird.“
„Und Sie wissen das allein? Ich weiß es auch!“
„Sie? Ich glaube, Sie phantasieren! Den Ort kennen nur zwei, nämlich er und ich.“
„Drei! Rechnen Sie mich auch dazu. Ehe ich das Pueblo verlasse, werde ich Ihnen den Namen sagen.“
„Nichts werden Sie, gar nichts! Ich höre wohl, was Sie wollen. Sie wollen es machen, wie die Kinder, wenn sie gern etwas erfahren wollen, und Sie meinen, ich sei so dumm, mich von Ihnen soweit bringen zu lassen, daß ich im Ärger herausplatze. Da verrechnen Sie sich aber ungeheuer! Es ist heute überhaupt ein Tag des falschen Rechnens für Sie. Jonathan ist Ihnen mit seinem Geld entkommen, und sein Vater ist auch fort mit dem Geld, welches er bei sich hat. Ja, wenn Sie wenigstens den erwischt hätten! Dem brauchten Sie nur die Stiefel auszuziehen. Er hat seinen Anteil zwischen den Doppelschäften stecken.“
„Donnerwetter!“ stieß ich, der ich niemals
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