39 - Satan und Ischariot III
befinden uns im Wilden Westen und handeln nach den Gesetzen desselben. Selbst wenn wir früheres gar nicht erwähnen wollen, so habt Ihr uns in letzter Nacht überfallen und uns dann am Tag einen Hinterhalt gestellt. Das ging uns ans Leben. Leben gegen Leben, so heißt das Gesetz der Prärie!“
„Nehmt doch Verstand an, Sir! Wir wollen teilen.“
„Nein. Wir wollen alles!“
„Das bekommt Ihr nicht. Ich habe mein letztes Gebot getan. Ihr bekommt entweder die Hälfte oder nichts!“
„Wir bekommen mehr!“
„Nichts bekommt Ihr, gar nichts!“ schrie er wütend. „Ermordet uns; tötet uns; es ist mir nun egal! Ich werde mit dem frohen Gedanken sterben, daß Ihr dann arme Teufel seid und bleibt, denn das Geld werdet Ihr niemals, niemals, niemals finden.“
Das dreifache Niemals brüllte er förmlich heraus. Ich antwortete um so ruhiger:
„Ereifert Euch nicht! In Beziehung auf das Geld irrt Ihr Euch. Ich weiß, was ich weiß. Die Ledertasche, in welcher Euer Sohn das seinige stecken hat, kenn eich.“
„Leder –?“ fragte er atemlos. „Habt Ihr sie gesehen?“
Er sah mich dabei an, als ob sein Leben von meiner Antwort abhängig sei. „Gesehen? Pshaw! Was nützt es mir, wenn ich sie nur gesehen hätte!“
„Sir, Master, Mensch, Ihr habt sie vielleicht schon?!“
„Hm! Das ist die Tasche Eures Sohnes; die geht Euch nichts an. Aber Ihr habt auch Geld, Euern Anteil und den Eures Bruders, den Ihr ihm abgenommen habt.“
„Ja, das habe ich, das habe ich!“ brüllt er außer sich. „Aber das werdet Ihr nicht bekommen. Wenn Euch der Teufel Jonathans Geld in die Hand gespielt hat, so sagt eben dem Teufel Euren Dank dafür; mein Geld aber, meins, das meinige, davon werdet Ihr Eure Hände lassen!“
„Oh, ich brauche sie nur danach auszustrecken!“
Ich legte bei dem Wort meine beiden Zeigefinger auf seine Füße. Er zuckte zusammen und fragte, indem ihm die Augen aus den Höhlen treten zu wollen schienen:
„Hierher? Meint Ihr, daß ich so dumm gewesen bin, es in den Strümpfen zu verstecken und mir dadurch eine Schar von Hühneraugen zu holen?“
„In die Strümpfe nicht, aber in die Stiefel.“
Er schluckte und brachte dann mühsam hervor:
„In die Stiefel? Zieht sie mir doch einmal aus, und schaut hinein! Ihr könnt sie solange ausschütten und ausschütteln, wie Euch beliebt; es fällt kein elender Cent heraus!“
„Das hat seinen guten Grund, weil das Geld nicht in den Stiefeln, sondern zwischen den Doppelschäften steckt.“
Da fiel sein Kopf weit nach hinten; er schloß die Augen und wiederholte mit ersterbender Stimme:
„Zwischen – den – – Doppel – – Schäften –!“
Dann aber bäumte er sich unter seinen Fesseln zwischen den Tischbeinen empor und brüllte, indem sein Gesicht sich blaurot färbte:
„Wage es, meine Füße anzurühren, elender Hund, wage es! Ich zersprenge meine Banden und reiße euch, dich und deinen roten Halunken von Winnetou, in tausend Stücke!“
„Elender Wurm! Deine Drohung ist verrückt! Wir werden dir das Geld noch lassen, natürlich nur so lange, wie es uns beliebt. Jetzt binden wir dich los; du wirst mit uns gehen.“
„Wohin?“ fragte er bedeutend ruhiger, da wir ihm die Stiefel nicht auszogen.
„Das wirst du sehen. Aber sei gehorsam, und verhalte dich ruhig, sonst hast du auch nicht die allergeringste Schonung von uns zu erwarten!“
Wir banden ihn vom Tisch los und gaben ihm die Füße frei. Er mußte mit aus dem Loch klettern, dann auf die nächste Terrasse hinunter und in die Wohnung der Jüdin steigen. Dort banden wir ihm die Beine und Füße wieder fest zusammen und legten ihn in den Raum, welcher an denjenigen stieß, der unter dem Loch lag. Es war finster in demselben. Judith befand sich, von Emery bewacht, drei Räume davon entfernt.
Ich ging zu ihr. Sie saß auf einem Stuhl, drehte Emery den Rücken zu und tat, als ob sie mein Kommen gar nicht bemerke.
„Soll ich dich bald ablösen lassen?“ fragte ich den Englishman, indem ich die Augen schloß, den Kopf auf die Seite neigte und die Hand an denselben legte.
Das war die Pantomime des Schlafens. Emery verstand mich sofort und antwortete:
„Ich bin freilich müde; ich muß ein wenig schlafen.“
„Ja, wer soll dich ablösen? Ich habe zu tun; Winnetou ist ebenso beschäftigt, und Vogel möchte ich einen so wichtigen Posten nicht anvertrauen.“
„Wichtig? Er wird doch wohl auf ein Frauenzimmer aufpassen können!“
„Das könnte er; aber ich habe noch
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