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39 - Satan und Ischariot III

39 - Satan und Ischariot III

Titel: 39 - Satan und Ischariot III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wasser, welches mir nicht einmal bis an die Brust reichte.
    Ich mußte dabei lebhaft an einige frühere Ereignisse denken, welche dem jetzigen zwar ähnlich, aber viel gefährlicher gewesen waren. Um ein geraubtes Mädchen aus dem Harem zu retten, war ich einst in Ägypten in einen Kanal gedrungen, welcher aus dem Nil unterirdisch in den Hof des betreffenden Hauses führte. Der Kanal war nur durch Zertrümmerung eines starken Holzgitters und nach Lossprengung eines sehr festen Blechsiebes zu passieren gewesen, und während der Arbeit hatte ich mich, auch mit dem Kopf, ganz unter Wasser befunden. Ich war auf eine halbe Sekunde dem Tod des Erstickens, des Ertrinkens nahe gewesen. Ein ganz ähnliches Ereignis hatte ich im Norden der Vereinigten Staaten erlebt, wobei der Ort von allen Seiten von feindlichen Indianern umgeben gewesen war. Wie ungefährlich war dagegen unsere heutige Lage!
    Ich ging mit der Lampe voran. Wir mußten uns bücken, um nicht oben anzustoßen. Vor wieviel hundert Jahren war der Kanal wohl gebaut worden! Er bestand aus einer Art von Ziegeln, welche sich sehr gut erhalten hatten. Die Luft war schlecht, doch nicht so sehr, daß wir belästigt worden wären. Wenn mich meine Berechnung nicht trog, ging der Kanal durch die Felsenenge hinaus nach dem Fluß. Wir mußten also unter dem Weg hinaus, auf dem Emery vorhin in den Talkessel und nach dem Pueblo gekommen war.
    Der Weg war keineswegs kurz. Endlich bemerkten wir, daß die Luft mit jedem Schritt besser wurde, und dann fiel der Schein unserer Lampe auf dichte Zweige, welche vor mir niederhingen. Ich löschte das Licht aus, schob die Zweige auseinander, ging noch zwei Schritte vorwärts und stand – im Fluß, dessen Wasser gerade so tief wie dasjenige im Kanal war. Die Zweige gehörten einem Schlinggewächs an, welches die Mündung des Kanals vollständig verdeckte und verbarg.
    Winnetou und Vogel traten hinter mir auch ins Freie; dann erstiegen wir das Ufer und befanden uns im Cañon des Flujo blanco neben der Felsenenge.
    „Hier ist Melton auch herausgekommen“, sagte Winnetou leise. „Meint mein Bruder, daß er sich vielleicht noch in der Nähe befindet?“
    „Nein. Er ist jedenfalls fort. Er hat sich wohl keinen Augenblick aufgehalten.“
    „Unser Bruder Emery muß nicht aufgepaßt haben, sonst hätte er ihn sehen oder hören müssen!“
    „Ich glaube vielmehr, als Melton hier aus dem Kanal kam, ist Emery schon bei uns drin auf dem Pueblo gewesen.“
    Das Feuer, welches bei dem Englishman hier gebrannt hatte, war ausgegangen. Wir schritten über die Asche desselben in die Felsenenge hinein. Am jenseitigen Ende derselben brannte das Feuer der Yuma-Indianer, über welches Emery hinweggesprungen war. Es blieb uns nichts übrig als denselben Sprung zu tun. Ich voltigierte als der vorderste über die Flammen hinweg und riß zwei oder drei von den Yumas, welche jenseits saßen, über den Haufen. Die Roten sprangen erschrocken auf und starrten mich an. Da kam auch Winnetou geflogen. Das war ihnen denn doch zu rätselhaft! Sie wußten uns droben im Pueblo, und jetzt kamen wir wie von einer Sehne geschnellt, über das Feuer herein in den Talkessel geflogen. Sie rissen die Augen und die Mäuler auf und brachten vor Erstaunen nicht einmal einen Ausruf hervor.
    Jetzt kam auch Vogel gesprungen. Das war für sie noch wunderbarer. Das junge Bleichgesicht steckte ja als Gefangener hinter den starken Mauern des Terrassenbaues, und jetzt war er nicht nur frei, sondern er kam aus dem Freien herein zu ihnen!
    „Uff, uff, uff!“ erklang es endlich doch rundum, und derjenige, mit welchem wir die Friedenspfeife geraucht hatten, fügte hinzu:
    „Tut der große Winnetou heute ein Wunder? Oder besitzen unsere Brüder zwei Leiber, daß sie dort im Pueblo und auch jetzt hier bei uns sein können?“
    „Das mag sich unser roter Bruder einmal überlegen“, antwortete ich. „Wenn er keine Erklärung des Wunders findet, wird sie ihm vielleicht einmal im Traum kommen.“
    Wir gingen zu der Leiter, welche am Erdgeschoß des Pueblo lag, und stiegen diese und auch die nächste empor. Es läßt sich denken, mit welchem Erstaunen uns Emery kommen sah! Er stand oben am Eingang zu der Wohnung der Jüdin Wache. Er erwartete uns natürlich aus diesem Loch zurück, und nun kamen wir aus dem Tal herauf. Er kam uns bis an die Leiter entgegen und rief mit lauter, verwunderter Stimme:
    „Ihr hier! Und Master Vogel auch, von dem ich denke, daß er –“
    „Still!“

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