39 - Satan und Ischariot III
Apachen.
„Nichts“, antwortete er. „Winnetou weiß wirklich nicht, was er über eine solche Squaw sagen soll. Man sollte sie töten, wie man eine Klapperschlange vernichtet!“
„Das nicht!“ sagte ich. „Sie ist trotz alledem ein Weib. Wir lassen sie laufen. Wir wissen ja nun, woran wir sind. Wollen wir aufbrechen?“
„Ich verstehe dich nicht. Was soll mit den Yumas werden? Sollen wir ihnen keine Lehre geben?“
„Bei ihnen nützt keine Lehre mehr. Unsere Zeit ist um. Wir wollen fort. Bindet Melton auf sein Pferd.“
„Und die Doña hier, welche sich eine ‚Dame‘ nennt? Es ist unglaublich, daß sie trotz ihres –“
„Warte es ab! Schafft nur erst Melton in den Sattel, und bringt mir dann mein Pferd.“
„Ah, hm!“
Daß ich bei Judith stehenblieb, beruhigte ihn; er schloß daraus, daß sie doch nicht ganz ohne Strafe wegkommen werde. Ich nahm den halben Lasso, dessen andere Hälfte sie abgeschnitten hatte, und band ihr mit demselben die Arme fest an den Leib, hängte meine Gewehre über und stieg dann in den Sattel.
„So, jetzt gebt mir einmal die gute Freundin herauf! Da sie so gern bei uns ist, will ich sie einmal in die Arme nehmen.“
Emery und Winnetou faßten sie an, um sie zu heben. Da begann sie aus Leibeskräften zu schreien. Ich nahm sie quer über das Pferd; die anderen sprangen in die Sättel; Winnetou ergriff den Zügel von Meltons Pferd – es ging fort, an der Felswand hin und dann auf die freie Ebene hinaus, über welche der Sturmwind heulte. Der Himmel hing voller Wolken; es war stockdunkle Nacht, doch Winnetou machte den Führer; auf ihn konnten wir uns verlassen.
Judith konnte die Arme nicht bewegen; sie hatte sich mit den Füßen gesträubt; nun aber lag sie bewegungslos wie ein Warenbündel vor mir; die Angst, was wir mit ihr beginnen würden, machte sie still. Emery und Vogel wußten gewiß nicht, warum ich sie mitgenommen hatte. Der Apache aber, der mich stets verstand, zeigte auch jetzt wie er sich in meine Absichten zu denken vermochte.
„Einen Abweg?“ fragte er mich mit zwei kurzen Worten. „Bis sie irre ist?“
„Ja, und den Berg nicht mehr sehen kann.“
„Howgh!“
Mit diesem Indianerausdruck gab er zu verstehen, daß er mit mir einverstanden sei, und ich bemerkte trotz der Finsternis, daß er aus der Richtung wich, welche wir eingehalten hatten, seit das Tal des Flujo blanco hinter uns lag.
Es mochte gegen vier Uhr morgens sein und blieb heute länger dunkel, als die Jahreszeit eigentlich mit sich brachte. Als der Tag graute, hatten wir gewiß weit über eine deutsche Meile zurückgelegt. Wir befanden uns noch auf der Hochebene; links von uns, also südwärts, gab es Wald, welcher sich weit in die Ferne zog und sich als schmaler Streifen am westlichen Horizont verlor. Wir ritten gegen Süden, bis wir den Wald erreichten, und hielten da an. Ich ließ die Jüdin niedergleiten und stieg dann ab, um ihr den halben Lasso von dem Oberkörper zu wickeln. Sie hielt den Blick gesenkt und sagte nichts.
„Wissen Sie, wo Sie sich befinden, Señora?“ fragte ich sie.
Sie antwortete nicht.
„Sie haben in ganz fürchterlicher Rache unseren Lasso zerschnitten, aber doch fühlen müssen, daß auch ein halber seine guten Dienste leistet. Wir wissen, wie gern Sie bei uns sind, müssen aber leider nun auf das Glück, welches Ihre Gegenwart uns gewährt, verzichten. Leben Sie wohl!“
Ich stieg auf, und wir ritten weiter. Als wir uns nach mehreren Minuten nach ihr umsahen, stand sie noch auf derselben Stelle.
„Sie weiß nicht, wo sie sich befindet“, sagte Emery.
„Das eben habe ich beabsichtigt“, antwortete ich.
„Wird sie sich zurechtfinden?“
„Vielleicht; aber wenn sie klug ist, bleibt sie da, wo sie ist. Ihre Yumas werden sie suchen, natürlich zunächst in der Richtung nach den Mogollonbergen. Wenn sie dann bemerken, daß wir nicht dorthin geritten sind, kehren sie um und treffen früher oder später mit ihr zusammen. Die Angst, in der Wildnis allein zu sein und nicht gefunden zu werden, ist eine Strafe für sie, wenn auch keine so große, wie sie verdient hat.“
„Aber wenn sie wirklich nicht gefunden wird und elend zu Grunde gehen muß!“
„Daran ist nicht zu denken. Durch das Suchen nach ihr wird für sie und ihre Roten höchstens ein Tag verlorengehen. Vielleicht kommen sie dann von dem Gedanken ab, uns weiter nachzureiten.“
Es zeigte sich später, daß ich recht gehabt hatte; solches Unkraut geht nicht zu Grunde.
Wir ritten
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