39 - Satan und Ischariot III
gelangt, so wäre ich sitzen geblieben, ohne zu ahnen, wie nahe sich der Tod bei uns befand.
Ich schob mich seitwärts in die Büsche, erhob mich, um schneller laufen zu können, und drang vorwärts, um den beiden voranzukommen. Als ich annehmen konnte, daß mir dies gelungen sei, blieb ich stehen und wartete. Ich befand mich an einem Punkt, an welchem sie vorüberkommen mußten.
Da hörte ich das Rauschen von Zweigen; sie kamen. Ich bückte mich nieder und ließ sie vorbei, um ihnen dann zu folgen. Sie waren höchstens dreißig Schritte von unserem Feuer entfernt, welches fast ganz niedergebrannt war. Da teilten sie sich, um im leisen Vorwärtsdringen einander nicht hinderlich zu sein. Er kroch links vor mir her, und sie hielt sich mehr nach der rechten Seite. Erst mußte ich ihn nehmen, dann konnte ich sie fassen.
Ich huschte ihm nach, doch von der Seite, kam ihm schnell zuvor, aber nicht ohne alles Geräusch. Er hielt an und lauschte; das war gerade die für meine Absicht erwünschte Körperstellung. Ein Sprung, ich hatte ihn am Hals und schlug ihm den Kolben meines Revolvers zwei-, dreimal gegen die Schläfe; dann ließ ich ihn fallen.
Bis er wieder zur Besinnung kam, konnte er nicht schaden.
Nun ging es hinter der ‚Dame‘ her. Sie mochte denken, daß sie sich nicht allzusehr in acht zu nehmen brauche, denn jenseits unserer Bergwand heulte jetzt der Wind mit doppelter Stärke; da waren ihre Schritte gewiß nicht zu hören. Dennoch mußte ich mir sagen, daß sie ihre Sache gar nicht übel machte. Sie benutzte die Schatten, welche die Büsche warfen, so gewandt, daß sie von mir, wenn ich mich noch am Feuer befunden hätte, gewiß nicht bemerkt worden wäre.
Jetzt war sie so nahe herzugelangt, daß sie die Schläfer sehen konnte. Sie kniete im Gras und lugte zwischen den Büschen hindurch. Leise schob ich mich hinzu, bis ich nur um einen Fuß breit seitwärts hinter ihr kniete. Sie reckte den Hals und schob den Kopf weiter und weiter vor; sie vermißte mich. Da sagte ich:
„Dort bin ich nicht, Señora. Sie müssen hierher blicken!“
Sie drehte den Kopf. Nie habe ich aus einem Gesicht den Schreck so blicken sehen, wie aus dem ihrigen. Die Züge schienen versteint zu sein; sie war keines Lautes fähig. Ich hatte den Revolver eingesteckt, zog an dessen Stelle das Messer und drohte ihr:
„Sprechen Sie ein lautes Wort, so fährt Ihnen die Klinge mitten durch das Herz! Sie haben sich herbeigeschlichen, um die Hunde, die Schurken zu sehen. Wohlan, Sie sollen sie ganz deutlich zu sehen bekommen. Stehen Sie auf und folgen Sie mir!“
Ich erhob mich; sie blieb knien und starrte mich noch immer an.
„Stehen Sie auf!“ wiederholte ich.
„Sie – Sie – Sie – sind –!“ stammelte sie endlich.
„Hier, ja, das sehen Sie. Aber kommen Sie! Vorwärts!“
„Was soll – soll – soll –?“
„Was Sie sollen? Sie sind gekommen, uns sterben zu sehen, wenn Ihre Yumas auf uns schießen. Ich will Ihnen das so bequem wie möglich machen. Sie sollen bei uns, neben uns sitzen, wenn wir die Kugeln bekommen. Also vorwärts, hin zum Feuer!“
Ich hatte laut gesprochen. Winnetou wachte davon auf und sprang empor. Ich faßte sie hinten beim Kragen ihrer Bluse und schob sie vorwärts.
„Uff!“ rief der Apache erstaunt. „Da ist die Squaw.“
„Mit ihren Yumas, welche uns erschießen sollen!“ erläuterte ich, indem ich die Jüdin auf den Boden niederdrückte, so daß sie neben das Feuer zu sitzen kam.
Emery erwachte, Vogel auch. Der alte Melton hatte wohl gar nicht geschlafen. Sein Blick ruhte erschrocken auf seiner verunglückten Retterin, deren Gesicht noch immer nicht geistreich genannt werden konnte.
„Wer ist denn das?“ fragte der Englishman, indem er sich die Augen rieb. „Das ist ja unsere holde Judith von neuem! Kann die sich denn noch immer nicht von uns trennen?“
Ich erklärte in wenigen kurzen Worten die Situation, holte das vorher gesammelte Holz herbei, um ein helleres Feuer machen zu können, und schleppte dann auch den besinnungslosen Yuma herbei.
„Ist's nicht besser, wenn wir es auslöschen?“ fragte Emery.
„Jetzt noch nicht“, antwortete ich.
„Aber wenn sie kommen, können sie ganz trefflich auf uns zielen.“
„Die kommen jetzt noch nicht. Es fragt sich nun, was wir tun.“
„Ja, was? Besonders mit dem Frauenzimmer, mit der wilden, blutgierigen Katze. Man sollte ihr die Krallen verschneiden.“
„Was sagt mein Bruder dazu?“ fragte ich den
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