39 - Satan und Ischariot III
Fall, daß irgendein Neugieriger mich erwischt. Geschieht dies nicht, so werdet ihr morgen früh befreit werden.“
„Gebe der Himmel, daß Eure zuversichtlichen Worte sich bewahrheiten, daß wir frei werden! Dann aber sind wir noch lange nicht fertig. Es gibt noch mehr zu tun. Wir müssen Jonathan Melton haben.“
„Den habe ich.“
„Was – wie – Sir –!“
„Still, still!“ warnte ich, ihn unterbrechend. „Nennt Ihr das ‚flüstern‘? Wenn der Rote es hört!“
„Ist es wahr! Soll ich das glauben? Sir, ich möchte laut Hurra und Viktoria schreien!“
„Das laßt bleiben! Später könnt Ihr meinetwegen schreien daß Euch der Atem ausgeht.“
„Wo habt Ihr ihn denn ergriffen?“
„Am ‚Tiefen Wasser‘, an welchem auch Euer Wagen gehalten hat. Die Millionen habe ich auch.“
„Wo, wo?“ fragte er begierig.
„Hier in meiner Brusttasche.“
„Wie? Was? Ihr tragt die ungeheure Summe bei Euch!“
„Natürlich! Soll ich sie etwa an einen Baum hängen oder in die Erde vergraben?“
„Und wagt Euch damit hierher, mitten zwischen vierhundert Feinde und in diese Überlandpostkutsche hinein? Wenn man Euch erwischt, ist das Geld wieder verloren.“
„Man wird mich eben nicht erwischen! Ich bin der festen Überzeugung, daß hier meine Tasche ein besserer Aufbewahrungsort für dieses Geld ist, als es Euer Geldschrank in New Orleans war. Übrigens mag Euch der Umstand, daß ich es bei mir trage, beweisen, wie sicher ich mich hier in der alten Kutsche fühle, und ich wünsche sehr, daß es, wenn ich es den rechtmäßigen Eigentümern übergeben habe, bei diesen keinen größeren Gefahren ausgesetzt ist als jetzt bei mir! Doch, wir sind von unserem eigentlichen Thema abgekommen. Wir wollen von Jonathan Melton reden.“
„Ja, wie er in Eure Hände gekommen ist. Ich wünsche, Ihr hättet sehen und hören können, wie er sich gegen mich benommen hat, als er zu den Mogollons kam und mich als deren Gefangenen vorfand!“
„Gab er sich noch immer für den wirklichen Small Hunter aus?“
„Das fiel ihm gar nicht ein. Ich hätte ihn mit meinen Händen erwürgen können!“
„Sein Geständnis wird uns später sehr nützlich sein.“
„Er teilte mir sogar mit teuflischer Schadenfreude mit, daß ich den Osten niemals wiedersehen würde und daß auch Mrs. Werner hier verschwinden müsse.“
„Dafür wird er ihn selbst wiedersehen, und zwar in Eurer und in unserer Gesellschaft. Er ist endlich unschädlich gemacht worden, obgleich er die Hoffnung hegt, sich wieder befreien zu können.“
„So! Hegt er die wirklich?“
„Er hat es mir in das Gesicht gesagt.“
„Der Schurke! Erzählt, erzählt, Sir! Ich muß wissen, wie er in Eure Hände geraten ist und wie er sich dabei benommen hat!“
Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, daß wir uns während der Unterredung mit der äußersten Vorsicht benahmen und daß der draußen sitzende Wächter während derselben oft und scharf beobachtet wurde. Dem Advokaten, der sich wohl in seinen Gesetzparagraphen, aber nicht in der Wildnis heimisch fühlte, war es um sich selbst bange und um mich erst recht himmelangst zumute, und daß sich die Sängerin in nicht geringerer Angst befand, verstand sich von selbst. Ich aber hatte wirklich keine Sorge, weder um die beiden, noch um mich selbst. Der Innenraum der alten Kutsche war in Wirklichkeit für mich ein besserer Aufenthalt, als jeder andere Ort in der Nähe. So konnte ich denn mit beinahe vollständiger Unbefangenheit erzählen, was ich zu erzählen hatte, nur daß ich öfters einen Blick hinaus auf den Wächter warf, um zu sehen, daß er noch an seinem Platz saß. Aber so ganz ohne gefährliche Unterbrechung sollte mein Bericht denn doch nicht zu Ende gehen. Ich war damit noch nicht ganz fertig, als ich gezwungen war, zu schweigen. Ich hörte Schritte, und als ich hinausblickte, sah ich einen Roten kommen, der unseren Posten voraussichtlich abzulösen hatte. Der letztere stand auf; der erstere aber kam an den Wagen, stellte sich auf das Trittbrett und führte die Untersuchung der Fesseln ganz in der Weise wie sein Vorgänger aus, erst auf der rechten, dann auf der linken Seite der Kutsche. Es verstand sich ganz von selbst, daß ich mich beidemal in die entgegengesetzte Ecke meines Sitzes drückte, welchem Umstand ich es zu verdanken hatte, daß die Gefahr glücklich vorüberging.
Der vorige Wächter war fortgegangen, und der jetzige hatte sich fast genau an dieselbe Stelle gesetzt. Als die beiden
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