39 - Satan und Ischariot III
Nacht, an dem Schluß unserer vielen und schweren Bemühungen standen. Die Hände unter dem Kopf und die Augen gen Himmel gerichtet, an welchem die Sterne jetzt wieder erschienen, da das Gewölk im Westen verschwunden war, dachte ich an all die Ereignisse von jenem Tag an, an welchem ich Harry Melton, den Ermordeten, in Guaymas zum ersten Mal gesehen hatte. Welche Ereignisse, welche Sorgen, Mühen, Enttäuschungen und Gefahren lagen zwischen jenem Tag und dem heutigen Abend! Die Lehre aus allem, allem, was ich in dieser Zeit erfahren und erlebt hatte, bestand in den wenigen und doch so schwerwiegenden Worten: Bewahre dir allezeit ein gutes Gewissen!
So sann und sann ich, bis meine Gedanken weniger scharf wurden; dann träumte ich halb, halb wachte ich, und endlich schlief ich doch ein. Da ich mich nicht in meine Decke gehüllt hatte, wurde ich von der empfindlich kühlen Luft geweckt. Der Stand der Sterne sagte mir, daß es ungefähr eine Stunde vor Morgen war.
Bald darauf hörte ich Pferdegetrappel von Norden her. Ich ging dem Schall entgegen und legte mich auf die Erde. Ein Zug von Reitern kam, eine Strecke voran zwei; der eine war ein Weißer, der andere ein Roter, welcher wohl den Führer machte. Ich stand auf und rief sie an, und zwar mit verstellter Stimme:
„Halloo, Mesch'schurs! Wohin der Ritt?“
Die beiden parierten sofort ihre Pferde und griffen zu ihren Gewehren. Der Weiße antwortete:
„Wen geht es etwas an, wohin wir reiten? Komm näher, Bursche, und laß dich sehen, wenn du keine Kugel kosten willst!“
„Versteht Ihr denn, einen Menschen zu treffen, Mister Emery?“
„Emery? Der Kerl kennt mich! Wer mag – Alle Wetter, bin ich dumm!“ unterbrach er sich. „Das ist doch jedenfalls kein andrer als der alte Charley, den sie Shatterhand nennen! Komm her, mein Kind, und sage uns, wo der Apache steckt!“
„Steigt ab; dann sollst du es erfahren. Wir müssen hier halten. Ist alles in Ordnung, Emery?“
„Alles.“
„Und Jonathan?“
„Kommt da hinten mit seiner lieben Judith geritten. Dunker hat sich seiner erbarmt und mag nun keinen Augenblick mehr von ihm lassen.“
Der Zug hielt an, und alle stiegen ab. Ich ging vor allen Dingen zu Melton. Eben war er vom Pferd genommen, und neben Judith auf die Erde gelegt worden. Dunker stand bei ihnen.
Dann sah ich nach den gefangenen Mogollons. Sie lagen an der Erde, zwei und zwei mit den Rücken gegeneinander zusammengebunden. Die waren uns sicher; die konnten nicht entfliehen. Dann erzählte ich Emery, Dunker und dem Unterhäuptling, was ich mit dem Apachen beobachtet und besprochen hatte, und fragte hierauf den letzteren:
„Kennt mein roter Bruder vielleicht eine nahe, an der Schattenquelle liegende Stelle, von welcher aus wir die abziehenden Mogollons beobachten können, ohne von ihnen bemerkt zu werden?“
„Es gibt eine solche“, antwortete er. „Sobald mein Bruder es wünscht, werde ich ihn zu derselben führen.“
„Gut! Wir müssen sehr bald aufbrechen, da der Morgen nahe ist. Fünfzig deiner Krieger mögen uns begleiten, um die zurückbleibenden Feinde zu überfallen. Die anderen fünfzig bleiben zur Bewachung der Gefangenen hier.“
„Und ich?“ fragte Dunker.
„Ihr müßt unbedingt bei Melton bleiben, den ich Euch anvertraut habe.“
„Well! Ich bin also sein Kerkermeister. Da mag er den Gedanken an eine Flucht nur immer fallenlassen!“
„Aber ich darf doch mit?“ erkundigte sich Emery.
„Ich möchte dich bitten, auch hier zu bleiben.“
„Warum? Möchte gar zu gern dabeisein.“
„Um zu sehen, wie wir zehn oder zwölf Indianer fangen? Das ist nichts. Bedenke, daß wir außer Melton noch fünfzig Gefangene zu bewachen haben. Die muß ich unter ganz sicherer Obhut wissen. Es ist ein Vertrauensposten für dich, Emery.“
„Gut! Wenn du es mir von dieser Seite klar und fein machst, kann ich es nicht gut grob nehmen. Wann sollen wir nach der Quelle kommen?“
„Ich schicke euch einen Boten.“
Nach kurzer Zeit stiegen fünfzig Nijoras wieder auf. Ihr Unterhäuptling setzte sich mit mir an ihre Spitze und führte uns nicht süd-, sondern westwärts, um die ‚Quelle des Schattens‘ nach dieser Richtung zu umgehen. Später lenkten wir nach Süden, und dann nach Osten ein; der Bogen war geschlagen, und wir hielten vor einer langgestreckten, nicht bedeutenden und schmalen Anhöhe, auf welcher Gebüsch zu stehen schien.
„Wir befinden uns an Ort und Stelle“, sagte der Unterhäuptling.
„Wie weit von der
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