39 - Satan und Ischariot III
Quelle?“ erkundigte ich mich.
„Fünf Minuten. Wer auf diese kleine Höhe steigt und sich da hinter das Gesträuch legt, kann die ganze Gegend der ‚Quelle des Schattens‘ überblicken und wird doch selbst nicht gesehen.“
„Das ist gut. Warten wir, bis es Tag geworden ist. Aber gebt gut auf die Pferde acht, damit nicht etwa eines davonläuft und uns verrät!“
Die Warnung war eigentlich unnütz, denn niemals wird ein Indianerpferd sich weit von seinesgleichen entfernen. Wir lagen am Fuß der Anhöhe, bis die Sterne nach und nach erblichen und ein leiser Dämmerschein im Osten zu bemerken war. Dann stieg ich mit dem Unterhäuptling hinauf. Wir legten uns hinter die Büsche und warteten, bis es hell genug war, die unter und vor uns liegende Gegend zu überblicken. Das dauerte nicht lange.
Das Gebüsch, welches uns Deckung gab, lief auf dem Rücken der Anhöhe hin, stieg jenseits derselben hinab, verbreiterte sich nach und nach, wurde da, wo die Quelle aus der Erde trat, wieder schmaler und hörte nachher ganz auf, um in die grasige Prärie überzugehen.
„Das ist ja herrlich!“ sagte ich zu dem Indsman. „Wir können uns das Terrain ja gar nicht besser wünschen!“
„So ist mein weißer Bruder mit mir zufrieden?“
„Vollständig, vollständig! Die Stelle ist die allerbeste für unsere Absichten. Wir können die ganze Gegend überblicken und den Abzug der Mogollons beobachten. Dann brauchen wir gar keine Pferde, um die zurückgebliebenen Feinde durch die Schnelligkeit unseres Kommens zu überraschen; wir lassen sie vielmehr hier. Wir können ja ganz heimlich im Gebüsch hier hinuntersteigen, und uns bis an die Quelle schleichen. Besser konnten wir es wirklich nicht treffen.“
Der Indianer wollte es sich nicht merken lassen, doch sah ich es ihm sehr wohl an, daß er stolz auf das Lob war.
Wir sahen das Lager der Mogollons vor uns; sogar die Decke der Postkutsche war zu sehen; sie ragte aus den Büschen heraus. Die Roten waren vom Schlaf erwacht und bereiteten sich zum heutigen Ritt vor. Viele aßen; einige wuschen sich erst; andere hatten mit ihren Pferden zu tun. Nach einiger Zeit ertönte ein schriller Schrei, das Zeichen zum Aufbruch. Jeder eilte zu seinem Pferd, um es zu besteigen; dann bildete sich der Zug, immer ein Reiter hinter dem anderen, so daß wir sie leicht zählen konnten; es waren ihrer dreihundertundvier; ihre lange Linie bewegte sich nach Süden, wo, wie wir überzeugt waren, das Verderben ihrer wartete.
Die Zurückgebliebenen sahen den Davonziehenden nach; sie standen vor dem Gebüsch, ihrer zehn Mann. Daß es nicht mehr waren und vielleicht einer, oder einige noch hinter den Büschen steckten, ergab der Umstand, daß wir nur vierzehn Pferde weiden sahen, zehn Reitpferde und vier für den Wagen.
Als die Fortziehenden im Süden verschwunden waren, konnten wir an das Werk gehen. Zehn Mann zu überwinden, brauchten wir nicht mehr als ebenso viele. Dennoch ordnete ich an, daß dreißig Mann mitgehen und die übrigen dann mit den Pferden nachkommen sollten; besser ist doch immer besser.
Durch die Büsche gedeckt, gingen wir auf der Anhöhe hin, stiegen jenseits hinab und folgten dann dem Gebüsch weiter, bis wir in der Nähe der Quelle ankamen. Ich kroch vor, um zu rekognoszieren. Die zehn armen Teufel saßen am Wasser und machten Frühstück. Ich schämte mich fast, mit der dreifachen Übermacht über sie herzufallen. Sie waren, als die Nijoras über sie kamen, so erschrocken, daß keiner von ihnen sich wehrte oder zu entfliehen suchte; in einem Nu hatte man sie gebunden. Ich aber war an die alte Postkutsche getreten, öffnete den einen Schlag derselben und rief hinein:
„Guten Morgen, Mrs. Werner und Mr. Murphy! Hier bin ich, um mein Wort zu halten.“
Martha stieß einen Jubelruf aus, und schloß dann die Augen. Sie war zwar nicht ohnmächtig geworden, aber die Freude übermannte sie. Ich zog das Messer, schnitt ihre Fesseln entzwei, hob sie heraus und setzte sie in das Gras, da sie zu schwach zum Stehen war. Da rief der Advokat ungeduldig: „Nun auch mich, Sir! Wie lange soll ich warten!“
„Nur Geduld, Mr. Murphy! Man kann nicht mehreren auf einmal dienen. Auch Ihr sollt frei sein.“
Als ich ihn losgeschnitten hatte, kam er herausgestiegen, reckte und renkte seine Glieder und sagte:
„Gott sei Dank! Das Elend ist zu Ende. Das war eine fürchterliche Situation da drin in dem alten Karren!“
Für mich hatte er ein Wort des Dankes nicht, dafür aber eines von
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