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39 - Satan und Ischariot III

39 - Satan und Ischariot III

Titel: 39 - Satan und Ischariot III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eigenartigen Zustand. Er murmelte immer unverständliches Zeug vor sich hin, fuhr des Nachts angstheulend aus dem Schlaf auf und trieb allerhand Allotria, die uns um seinen Verstand bange machten.
    So kamen wir jenseits des kleinen Colorado und vor Acoma gegen Abend in die Gegend, wo der alte Melton seinen Bruder ermordet hatte. Ohne daß etwas darüber gesprochen oder gar bestimmt worden war, hielten wir an der Stelle an, wo wir den Toten mit Steinen bedeckt hatten. Wir wollten die Nacht da lagern. Noch lag das Gerippe des gestürzten Pferdes da; die Geier hatten es rein abgenagt. Es war ein schauerlicher Ort, der Ort des Brudermordes. Hätte man uns gefragt, warum wir gerade ihn für diese Nacht gewählt hatten, es wäre wohl keiner von uns imstande gewesen, eine befriedigende Antwort zu geben.
    Wir aßen, der alte Melton aber nicht. Er lag mit emporgezogenen Knien an der Erde und stöhnte vor sich hin. Plötzlich, der Mond war eben aufgegangen, bat er mich:
    „Sir, bindet mir die Hände vom Rücken nach vorn!“
    „Warum?“ fragte ich.
    „Damit ich sie falten kann. Ich muß beten!“
    Welch eine unerwartete Bitte! Durfte ich die Erfüllung verweigern? Gewiß nicht. Ich gab also dem langen Dunker die Genehmigung, weil dieser neben ihm saß. Er band ihm die Hände hinten los. Noch ehe er sie vorn wieder zusammen gebunden hatte, fragte mich der Alte:
    „Wo liegt mein Bruder, Sir?“
    „Gleich neben Euch, unter dem Steinhaufen.“
    „So begrabt mich bei ihm!“
    Dunker stieß einen Schrei aus. Wir sahen, daß er Melton bei den Händen faßte.
    „Was gibt's denn, was ist los?“ fragte ich.
    „Er hat mir mein Messer aus dem Gürtel gezogen“, antwortete Dunker.
    „So nehmt es ihm rasch!“
    „Es geht nicht; er hält zu fest! Er ersticht sich – er ersticht sich – es ist zu spät!“
    Ich sprang hin, riß Dunker weg und bückte mich auf den Alten nieder. Ein Röcheln drang aus seinem offenen Mund. Das Messer mit beiden Händen fest am Griff haltend, hatte er sich die lange Klinge bis an das Heft ins Herz gestoßen; noch höchstens einige Sekunden, dann war er tot.
    Was soll ich weiter sagen! Solche Augenblicke muß man erleben, aber darüber sprechen, darüber schreiben kann man nicht. Das ist das Gericht Gottes, welches schon hier auf Erden beginnt und sich bis jenseits des Jüngsten Tages in alle Ewigkeit erstreckt! Auf derselben Stelle auch ganz derselbe Tod! Erstochen! Ich hatte ihm gesagt, er werde sterben wie Ischariot von seiner eigenen Hand. Wie schnell war das in Erfüllung gegangen!
    Wir waren so ergriffen, daß wir zunächst nur stumm beten konnten. Und Jonathan, sein Sohn? Der lag da, sah in den Mond und sagte kein Wort, gab keinen Laut von sich.
    „Mr. Melton“, rief ich ihn nach einiger Zeit an, „habt Ihr gehört, was geschehen ist?“
    „Ja“, antwortete er ruhig.
    „Euer Vater ist tot!“
    „Well, er hat sich erstochen.“
    „Reißt Euch das denn nicht das Herz aus der Brust?“
    „Warum? Dem Alten ist wohl. Der Tod hier war das beste für ihn; er hätte sonst doch baumeln müssen!“
    „Mensch, Mensch, so redet Ihr von Euerm Vater?“
    „Meint Ihr, daß er anders über mich gesprochen hätte?“
    Ich wußte zwar, daß er recht hatte, antwortete aber doch:
    „Gewiß anders, ganz anders!“
    „Nein, Sir. Er hätte mich ebenso wie jeden anderen verraten und geopfert, wenn es für ihn von entsprechendem Nutzen gewesen wäre. Scharrt ihn zu seinem Bruder ein, den er umgebracht hat!“
    Diese Gefühllosigkeit und Herzenshärte brachte mich noch weit mehr zum Grauen als der Selbstmord an sich. Kann es wirklich solche Menschen geben? Ja, es gibt welche! Sind sie aber dann noch Menschen zu nennen? Allerdings, und gerade weil sie Menschen sind, darf man bis zum letzten Augenblick nicht an der Möglichkeit der Besserung zweifeln. Gott ist die Liebe, die Gnade, die Langmut und Barmherzigkeit!
    Wir begruben den Toten, ohne ihm das Messer aus der Brust zu ziehen, da, wo er es gewollt hatte, bei seinem Bruder. Hierauf ritten wir eine große Strecke weiter, um erst dann anzuhalten und wieder zu lagern. Ich glaube, keiner von uns, außer Jonathan und Murphy, hat in dieser Nacht geschlafen.
    Am zweiten Tag darauf kamen wir in Albuquerque an, wo wir unsere Pferde ausruhen ließen. Hier gaben wir unsere Erlebnisse und Aussagen zu den Akten und baten uns zur bessern Beaufsichtigung Meltons zwei Polizisten aus. Für Martha wurde ein Wagen genommen; sodann ging es weiter, auf der Canadianstraße

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