39 - Satan und Ischariot III
bis Fort Bascom und von da aus auf der Red Riverstraße nach dem Mississippi und bis New Orleans.
Wie staunten die Herren Detektive dort, als wir den Missetäter brachten, aus dem verborgensten Winkel des Wilden Westens geholt! Und welch ein Aufsehen gab es, als nach und nach die Umstände bekannt wurden, unter denen wir ihn verfolgt und endlich ergriffen hatten. Winnetou, der ‚Fürst der Fährtenfinder‘, war der Held des Tages; er ließ sich aber nicht sehen, und wir anderen blieben ebenso versteckt. Leider mußten wir lange, lange bleiben, um als Zeugen vernommen zu werden.
Es wurde bekannt, in welchem Haus Martha mit ihrem Bruder wohnte. Es sprach sich auch herum, daß sie eine sehr schöne Lady und exzellente Sängerin sei. Von da an gingen bei ihr täglich wenigstens ein halbes Dutzend Heiratsanträge ein; er aber bekam eine angsterregende Überschwemmung von allen möglichen Projekten, durch deren Ausführung er das ihm jedenfalls zuzusprechende Vermögen in kürzester Zeit verdrei-, verzehn- und gar verhundertfachen könne.
Und es wurde der Familie Vogel zugesprochen. Murphy war durch meine Drohungen eingeschüchtert worden und bemühte sich, den Schaden, welchen er angerichtet hatte, möglichst auszugleichen. Davon aber, daß er an meinem Lasso gehangen hatte, um antworten zu lernen, erzählte er keinem Menschen etwas. Später aber habe ich einen von ihm geschriebenen Bericht über seine damaligen Erlebnisse gelesen, welcher, wenn ich mich nicht ganz irre, im ‚Crescent‘ erschien. Zu meiner großen Verwunderung und nachhaltigen Besserung las ich da schwarz auf weiß, daß er alles ganz allein gewagt, getan, erreicht und in das richtige Geleis gebracht hatte, während Winnetou, Emery, Dunker und ich nur ganz unbedeutende, nebensächliche Personen gewesen waren. So kann man sich über seine eigenen, scheinbar gut im Gedächtnis aufbewahrten Erlebnisse im erstaunenswertesten Irrtum befinden! Ich habe mich seit jener Zeit stets gehütet, etwas zu denken, zu sagen oder gar zu tun, wenn dabei drei oder fünf Meilen in der Runde ein amerikanischer Advokat anzutreffen war. Meine Reiseerlebnisse sind in hundert amerikanischen Zeitungen und in tausend amerikanischen Büchern ab- und nachgedruckt worden, ohne daß man mich darum fragte oder, was ein vernünftiger Mensch und Deutscher übrigens gar nicht verlangen kann, mir in Gnaden ein Exemplar davon gab; die amerikanischen Verleger sind steinreich geworden; mein einziges Honorar aber hat in einem bohnenstrohgroben Brief bestanden, den der gebildetste dieser Gentlemen mir schrieb; die anderen hielten es für geboten, mir gar nicht zu antworten. Wenn dazu dann noch so ein Mr. Fred Murphy kommt und, anstatt mich nur nachzudrucken, meine Erlebnisse für die seinigen erklärt, so kommt man, wenn man halbwegs ein gutes Gemüt besitzt und seinem Nebenmenschen etwas gönnt, leicht auf den Gedanken, fernerhin hübsch daheim zu bleiben, um auch einmal nachzudrucken, Mr. Murphy aber reisen zu lassen.
Und nun der Schluß?!
Der lange Dunker steigt noch immer im Wilden Westen herum. Von Emery wird der liebe Leser wohl bald wieder etwas hören. Krüger-Bei ist gestorben, wie kürzlich auch die Zeitungen meldeten, leider aber nicht in seiner unübertroffenen deutschen Ausdrucksweise. Jonathan Melton, der falsche Small Hunter, wurde zu vieljähriger Einzelhaft verurteilt, ist aber bald in seiner engen Zelle zugrunde gegangen, hoffentlich nicht auch in Beziehung auf seine Seele. Judith hat nie wieder von sich hören lassen.
Und die Familie Vogel?
Bei dieser Frage geht mir, ich mag wollen oder nicht, das Herz auf. Nicht in großen Welt-, sondern in Provinzialblättern kleinen und kleinsten Formates liest man zuweilen eine Annonce ungefähr folgenden Wortlautes: ‚Begabte Kinder armer, braver Eltern werden unentgeltlich in Pension genommen und gratis ausgebildet. Näheres wolle man usw.‘ Auf die darauf erfolgende Meldung erscheint dann gewöhnlich ein sehr feiner und lieb dreinschauender Herr, um das Kind zu prüfen oder prüfen zu lassen. Besteht es die Prüfung, so nimmt er es mit in ein großes, sehr freundlich eingerichtetes Haus, an dessen Tor auf einem kleinen Messingschild der einfache Name ‚Franz Vogel‘ angebracht ist. Das Kind des darbenden Arbeiters, der hungernden Witwe, welches dieses Haus betritt, verläßt es später nur mit Tränen, innerlich und äußerlich aber wohl ausgerüstet für die Kämpfe, welche es im Leben zu bestehen hat. Wird dieser
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