39 - Satan und Ischariot III
ein Leichenzug. Wenn wir wirklich da nicht wieder heraufkommen sollten! Ich schüttelte den Gedanken mit den Achseln von mir ab. Nein! Wenn wer bestimmt war, unten zu bleiben, dann die Comanchen, aber nicht wir!
Als wir die Talsohle erreichten, lenkte der Häuptling nach der Stelle hin, wo das Wasser aus dem Felsen trat. Dort hielt er an und stieg vom Pferd; die anderen taten ebenso, denn hier am Wasser sollte die Nacht zugebracht werden. Als wir abgestiegen waren, wurde der Versuch gemacht, die Pferde zu tränken; sie wollten aber das schwefelhaltige Wasser, welches wie faule Eier roch und schmeckte, nicht nehmen.
Währenddem ließ ich meinen Blick über das Tal hin schweifen. Am nördlichen Rand, da, wo die Felsen am steilsten aufstiegen, befand sich die Spalte, in welcher wir damals den Häuptling begraben hatten. Sie war nicht groß, unten vielleicht nicht ganz sechs Fuß breit, und verjüngte sich so schnell, daß sie in Mannshöhe eine Breite von nur noch zwei Spannen betrug; von da aus ging sie in gleicher Breite in eine beträchtliche Höhe hinauf. Da sie in solcher Höhe unmöglich verschlossen werden konnte, so hatte die Luft Zutritt, und wenn wir wirklich hier eingesperrt werden sollten, so konnten wir zwar verhungern und verdursten, aber doch wenigstens nicht ersticken. Die Steinplatte, welche man vorgelegt hatte, war schwer und unten breiter als der Spalt; ihre Höhe betrug drei Ellen. Trotz ihrer Schwere genügte sie nicht, uns im Grab festzuhalten, denn wir drei Männer waren stark genug, sie von innen nach außen umzuwerfen und uns dadurch den Weg in die Freiheit zu bahnen. Aber es lagen Steine genug in der Nähe, vor und an der Platte einen so großen Haufen aufzutürmen, daß es uns unmöglich wurde, die Platte auch nur einen Zoll weit zu lüften.
Die Roten führten uns zunächst nach dem Grab. Sechs von ihnen waren nötig, die Platte zu entfernen. Als dies geschehen war, trat der Häuptling vor die Öffnung und sagte in feierlichem Ton:
„Hier liegt Atescha-Mu begraben, der große Häuptling der Comanchen. Sein Geist ist in die ewigen Jagdgründe eingegangen, wo er vergebens auf die Seelen seiner Mörder gewartet hat, die ihn dort bedienen sollen. Er mag zurückkehren, um zu hören, was ich, sein Sohn und Rächer, ihm zu sagen habe!“
Er wartete eine kleine Weile, jedenfalls um dem Geist seines Vaters Zeit zu geben, den Weg von den ewigen Jagdgründen bis hierher zurückzulegen, und fuhr dann fort:
„Die ‚Starke Hand‘ wurde von Winnetou und Old Shatterhand verfolgt und getötet. Die beiden feindlichen Krieger sind jetzt in meine Hand geraten und sollen seinen Tod mit ihrem Leben bezahlen. Jeder Tote geht so in die ewigen Jagdgründe ein, wie er im Augenblick des Sterbens beschaffen ist. Wollten wir die Mörder quälen und verwunden, so würden sie schwach und blutend zu Atescha-Mu gelangen und ihm nur schlechte Diener sein können; darum werden wir sie nicht beschädigen, sondern sie zu seinen Gebeinen einmauern, damit sie ohne Wunden sterben und er starke Diener bekommt, mit denen er in den ewigen Jagdgründen vor allen Abgeschiedenen prangen kann. Howgh!“
Die Platte wurde wieder vorgelegt, ohne daß es mir möglich gewesen war, einen Blick in das Grab zu werfen. Man führte uns nach dem Wasser zurück, doch durften wir nicht dort bleiben. Ungefähr fünfundzwanzig Schritte davon befand sich ein schmaler Einschnitt in den Felsen, in welchen wir gebracht wurden. Wir mußten uns da niedersetzen, und nachdem man uns an den Füßen gefesselt hatte, blieben zwei Mann zurück, um uns zu bewachen. Die anderen gingen wieder zum Wasser, nachdem der Häuptling den beiden Wächtern die größte Vorsicht und Aufmerksamkeit eingeschärft hatte.
Diese Vorsichtsmaßregel hatte man getroffen, weil der Felseneinschnitt sich außerordentlich gut zur Aufnahme von uns eignete. Wir hatten von drei Seiten Felsen, und auf der vierten saßen die bis an die Zähne bewaffneten Wächter; da waren wir den Roten viel sicherer, als wenn sie uns mit draußen am Wasser behalten hätten.
„Ein verwünschter Einfall, uns hier hereinzustecken!“ brummte Emery in deutscher Sprache. „Höchst unangenehm, daß sie auf diesen Gedanken gekommen sind!“
„Warum?“ fragte ich.
„Weil wir nun hier eingesperrt sind und schwerlich herauskommen werden.“
„Meinst du? Mir ist es im Gegenteil sehr lieb, daß sie es getan haben.“
„Das begreife ich nicht. Hier sehen wir nichts. Draußen hätten wir alles hübsch
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