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39 - Satan und Ischariot III

39 - Satan und Ischariot III

Titel: 39 - Satan und Ischariot III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hand‘. Wir mußten uns eng zusammenschmiegen, um mit denselben nicht in Berührung zu kommen. Glücklicherweise gab es in dem Grab keinen Moder- oder Fäulnisgeruch, da die Luft von oben her stets Zutritt gehabt hatte.
    So saßen und hockten wir also eng nebeneinander und warteten mit fast fieberhafter Spannung auf den Anbruch des Tages. Eine Ablösung der Wächter war nicht mehr nötig, da die beiden letzten ihren Posten gerade zwei Stunden vor Morgengrauen angetreten hatten. Es stand zu erwarten, daß der Himmel sich in einer kleinen halben Stunde erhellen werde.
    Eine solche Zeit ist wenig, kann einem aber in der Lage, in welcher wir uns befanden, zu einer Ewigkeit werden. Wir sprachen kein Wort, denn einmal machte uns die Aufregung stumm, und sodann konnten wir uns so nahe bei den Gebeinen des Häuptlings jenes, ich möchte sagen, heiligen Gefühles nicht erwehren, dem sich an einer Stätte des Todes selten der Mensch zu entziehen vermag.
    Die Zeit verging. Ich saß vorn an dem Stein und legte zuweilen mein Auge an die schmale Lücke, welche es zwischen ihm und der Felswand gab. Ich sah, daß es zu dämmern begann. Die Entscheidung nahte, denn sobald es nur ein wenig hell wurde, mußte der Häuptling bemerken, daß die beiden Wächter nicht da saßen, wo sie sitzen sollten. Da unterbrach Emery nun doch die Stille:
    „Kannst du sehen, Charley?“
    „Nur erst drei, höchstens vier Schritte weit; es wird aber mit jedem Augenblick heller.“
    „Da wird der Lärm in wenigen Minuten beginnen. Wir sind doch töricht gewesen, uns hier einzusperren! Wenn man entdeckt, daß wir hier stecken, sind wir verloren!“
    „So gewiß, wie du denkst, noch lange nicht!“
    „Was würdest du denn tun?“
    „Das einzige, was uns in diesem Fall retten könnte, nämlich mich auf den Häuptling werfen, um mich seiner zu bemächtigen. Befindet er sich in unserer Gewalt, so können wir unterhandeln.“
    „Aber wenn man uns nun gar nicht hinaus läßt!“
    „Pah! Man muß!“
    „Sondern Steine vor der Platte draußen aufhäuft!“
    „Dazu gehört Zeit. Wir drei sind stark; ein Augenblick genügt, die Platte umzuwerfen – horch!“
    Draußen war ein lauter, schriller Schrei erklungen, jener Schrei, welchen der Indianer ausstößt, wenn er die Seinen auf eine Gefahr aufmerksam machen will.
    „War das der Häuptling? Sieh hinaus, Charley, schnell, schnell!“
    Während unsers Gespräches, so kurz dasselbe gewesen war, hatte die Helle des Morgens so zugenommen, daß ich, als ich das Auge nun wieder an die Lücke legte, bis an das Wasser sehen konnte. Der ganze Lagerplatz und die Umgebung desselben lagen vor meinem Blick. Ja, der Häuptling hatte den Schrei ausgestoßen. Er stand vor dem Felseneinschnitt, in welchem wir gesteckt hatten, und sah die beiden Wächter gefesselt und geknebelt in demselben liegen. Sein Schrei hatte die anderen Roten erweckt; sie waren aufgesprungen und eilten zu ihm hin.
    Zunächst entstand ein kurzer Wirrwarr von sich durcheinander drängenden Menschen und Stimmen; dann wurde es still. Der Häuptling ließ die von uns Überrumpelten von ihren Fesseln und Knebeln befreien und befragte sie. Ich sah sie vor ihm stehen; wir hatten sie also nicht getötet. Dann erhob sich wieder ein Geheul. Die Roten richteten ihre Blicke ringsumher; sie sahen nichts von uns; wir mußten also aus dem Tal sein. Der Häuptling rief ihnen laute Befehle zu. Sie bewaffneten sich, eilten zu den Pferden, stiegen auf und ritten fort, den steilen, schmalen Weg hinauf, den wir heruntergekommen waren. Ich sah einen nach dem anderen da oben verschwinden.
    Aber nicht alle verließen das Tal. Drei blieben zurück, nämlich der Häuptling und die beiden Wächter, ob die letzteren zur Strafe, oder weil sie sich nicht so schnell hatten erholen können, das wußte ich nicht. Der erstere setzte sich wieder dort nieder, wo er während der Nacht gesessen hatte; sie aber standen in einiger Entfernung von ihm. Er war natürlich zornig über sie, und sie wagten sich nicht an ihn heran.
    „Wenn die Roten nur eine Spur von Klugheit besitzen, werden sie augenblicklich wiederkommen!“ meinte Emery.
    „Wieso?“ fragte ich.
    „Wenn sie hinauf auf die Ebene kommen und uns nicht sehen, müssen sie sich doch sagen, daß wir noch im Tal sein müssen!“
    „Nein. Sie werden annehmen, daß wir Zeit genug gehabt haben, soweit zu kommen, daß wir nicht mehr gesehen werden können. Sie werden nach Spuren suchen und keine finden. Infolgedessen wissen sie

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