39 - Satan und Ischariot III
Ich lasse ihn vorüber, springe dann hinter ihm auf das Pferd und nehme ihn fest. Darauf mögen meine Brüder von vorn auf ihn eindringen.“
Emery und ich gingen die zwanzig Schritte weiter, die wir noch bis zur Einmündung des Weges zu machen hatten, und postierten uns dort hinter die Ecke. Kurze Zeit später hörten wir den Häuptling kommen. Wir lauschten dem Hufschlag seines Pferdes. Jetzt mußte er beim Versteck des Apachen sein – jetzt an demselben vorüber – da blieb das Pferd stehen; ein unterdrückter Schrei ließ sich hören. Wir sprangen hinter der Ecke hervor. Da hielt das Pferd auf dem Weg; Winnetou kniete auf demselben hinter dem Comanchen und hatte ihn mit beiden Händen am Hals fest. Wir sprangen hinzu und zogen den vor Schreck bewegungslosen Roten vom Pferd herunter, entwaffneten ihn und banden ihm mit seinem eigenen Lasso die Arme fest an den Leib. Darauf brachten wir ihn nach einer Stelle, wo wir mit ihm nicht von oben gesehen werden konnten, zogen ihn da nieder und banden ihm auch die Beine zusammen, so daß er nun wie ein Kind im Wickel vor uns lag.
„Meine Brüder mögen hier bei ihm bleiben“, sagte Winnetou. „Ich steige schnell wieder nach oben, um zu sehen, was die Comanchen jetzt tun.“
Er entfernte sich. Der ‚Große Pfeil‘ lag zu unseren Füßen und betrachtete uns mit Augen, in denen sich eine unbeschreibliche Wut aussprach. Ein anderer an seiner Stelle hätte höchstwahrscheinlich geschwiegen; er hatte geglaubt, daß wir längst fort seien und brannte nun darauf, zu erfahren, wie es uns gelungen sei, ihn in die Falle zu bringen; darum fragte er:
„Wo hat Old Shatterhand mit seinen Gefährten gesteckt, daß wir ihn nicht haben sehen können?“
„Im Grab deines Vaters.“
„Uff! Warum seid ihr nicht sofort geflohen?“
„Weil wir nicht ohne unsere Pferde und Waffen fort wollten. Du siehst, daß wir sie uns geholt haben.“
„Winnetou und Old Shatterhand sind sehr verwegene Krieger!“ stieß er wütend hervor.
„So siehst du also ein, daß die Krieger der Comanchen viel klüger sein müßten, wenn es ihnen gelingen sollte, uns festzuhalten. Ihr habt uns ergreifen können, weil ein böser Mensch uns euch verriet; zum zweitenmal bringt ihr das aber nicht fertig. Und uns gar in das Grab deines Vaters sperren, das war ein Gedanke, den nur ein so junger Krieger, wie du bist, haben konnte. Du siehst, daß wir deinen Vater nicht in den ewigen Jagdgründen bedienen werden!“
„Und doch werdet ihr das tun! Ihr seid noch nicht entkommen!“
„Oh, wir fühlen uns so sicher, als ob gar keine Krieger der Comanchen auf der Erde wären! Ich brauche nur dieses eine Gewehr, welches du hier in meiner Hand siehst, um sie alle nacheinander in die ewigen Jagdgründe zu senden. Du wirst von dem Gewehr gehört haben.“
„Ja. Der böse Geist hat es dir gegeben. Du kannst mit demselben schießen, so oft du willst, ohne daß du zu laden brauchst.“
„Wenn du das weißt, so darfst du auch nicht sagen, daß deine Krieger uns wieder ergreifen werden!“
Er schwieg, schloß eine Weile die Augen, öffnete sie dann wieder und fragte, indem er einen forschenden Blick auf mich warf:
„Ich bin in eurer Gewalt. Was werdet ihr mit mir tun?“
„Du hast uns einem qualvollen Tod überantworten wollen. Wir sollten dort im Grab der ‚Starken Hand‘ langsam verschmachten. Welches Schicksal erwartest du dafür von uns?“
„Den Tod. Ihr werdet mich martern; aber es wird kein Laut der Klage über meine Lippen kommen!“
„Wir werden dich nicht martern; wir werden dich auch nicht töten. Du hast uns nicht gequält, sondern uns als tapfere Krieger geachtet; wir werden also fortreiten und dich hier liegenlassen, damit deine Krieger dich dann finden und von den Banden frei machen. Winnetou und Old Shatterhand dürsten nicht nach Menschenblut; sie hätten damals auch deinen Vater nicht erschossen, wenn die vier Bleichgesichter nicht so unschuldigerweise von ihm verbrannt worden wären.“
In diesem Augenblick kehrte Winnetou zurück. Er hatte den letzten Teil meiner Rede gehört und sagte zu dem Häuptling:
„Ja, der ‚Große Pfeil‘ mag seine Krieger davon benachrichtigen, daß Winnetou ein Freund aller roten Männer ist und auch die Söhne der Comanchen nur dann als Feinde betrachtet, wenn sie sich als solche gegen ihn verhalten. Du hast uns töten wollen; wir könnten nun dein Leben dafür fordern. Du sollst es behalten. Eines aber werden wir euch nehmen. Wir wollten ein
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