39 - Satan und Ischariot III
Bleichgesicht fangen, welches ein großer Verbrecher ist. Du hast dich dieses Mannes angenommen und ihn mit seinem Weib, welches nicht sein Weib ist, entkommen lassen. Dann hast du uns hierher geschafft. Dadurch hat der Mann einen großen Vorsprung gewonnen, welchen wir nur mit sehr guten Pferden wieder einholen können. Die Krieger der Comanchen haben Pferde hier, welche viel besser sind als die unserigen. Wir werden sie gegen drei der eurigen umtauschen.“
„Ist Winnetou, der berühmte und tapfere Häuptling der Apachen, ein Pferdedieb geworden?“ fragte der Gefangene.
„Nein; aber du bist schuld, daß der Flüchtling entkommen ist, und sollst nun dafür sorgen, daß wir ihn einholen können. Ich nehme dein Pferd, und du hast dir den Verlust selbst zuzuschreiben. Howgh!“
Er bestieg das Pferd des Comanchen, lenkte in den Bergweg ein und winkte uns, ihm zu folgen. Emery wollte sein Pferd holen, aber Winnetou sagte:
„Meine Brüder mögen ihre Tiere hier stehenlassen. Da oben werden sie viel bessere finden.“
Er ritt voran, ohne den Comanchen nur noch einmal anzusehen, und wir folgten ihm. Es war leicht begreiflich, daß der Gefangene sich darüber ärgerte, sein Pferd zu verlieren; es war ein prachtvolles Tier; einige gleich vortreffliche hatte ich bei den anderen Comanchen gesehen. Darum war ich jetzt sehr neugierig, was ich da oben auf der Ebene vorfinden würde. Wir sollten gute Comanchenpferde bekommen. Auf welche Weise, das fragte ich nicht, da Winnetou es nicht freiwillig sagte. Er ritt wortlos voran, wie einer, der gar nicht vorsichtig zu sein braucht; er mußte seiner Sache sehr sicher sein.
Als wir oben angekommen waren, sah ich nun freilich, daß die Comanchen sich so sorglos wie möglich verhalten hatten. Sie suchten noch immer nach unserer Fährte. Sie hatten sich getrennt, um nach allen Richtungen zu forschen. Wir sahen sie rundum, schon weit von uns entfernt, dahinschreiten, indem sie in gebückter Haltung den Boden betrachteten. Da unsere Spuren leicht von den Pferden ausgetreten werden konnten und die Tiere beim Suchen überhaupt hinderlich waren, hatten sie dieselben an einer Stelle zusammengebracht und dort unter der Aufsicht eines einzigen Roten stehenlassen. Die Stelle war gar nicht weit von uns; wir hatten höchstens sechshundert Schritte zu gehen. Der Wächter saß an der Erde, mit dem Gesicht von uns abgewendet, und blickte hinaus ins Weite, die Bemühungen seiner Kameraden beobachtend.
„Der Mann würde die Schritte meines Pferdes hören“, sagte Winnetou lächelnd. „Ich werde also hier ein wenig warten, und meine Brüder mögen leise zu ihm gehen, um sich dort die zwei besten Pferde auszuwählen.“
Er blieb einstweilen halten. Ich nahm den Stutzen schußfertig in die Hand, um den Roten einzuschüchtern, und schlich mit Emery auf ihn zu. Er schenkte den vergeblichen Bemühungen seiner Kameraden eine so ungeteilte Aufmerksamkeit, daß wir die Pferde erreichten, und nahe hinter ihm standen, ohne daß er es bemerkte. Da sagte ich:
„Wird mir der Sohn der Comanchen vielleicht sagen, was seine Brüder so angelegentlich da draußen suchen?“
Er blickte sich um, sah uns, fuhr wie von einer Spannfeder geschnellt empor und starrte uns an.
„Hat mein Bruder meine Frage verstanden?“ fuhr ich fort.
„Old – Shatterhand!“ stammelte er.
„Ja, ich bin es. Und kennst du den Krieger, welcher dort auf dem Pferd sitzt?“
„Winnetou, auf dem Pferd des Häuptlings!“
„Allerdings! Also sage, was suchen deine Brüder da draußen?“
„Sie – suchen – – euch!“ antwortete er, noch immer ganz außer sich.
„Uns? So eile schnell hin, und sage ihnen, daß wir uns hier befinden!“
Er machte keine Miene, der Weisung Folge zu leisten, sondern starrte mich noch immer wie eine Geistererscheinung an. Da richtete ich die Mündung des Gewehres auf ihn und drohte:
„Eile, sage ich dir, sonst bekommst du augenblicklich eine Kugel.“
„Uff!“ rief er erschrocken, wendete sich und rannte davon, so schnell ihn seine Beine fortzutragen vermochten. Nun hatten wir freie Hand. Winnetou kam hingeritten, und wir wählten uns von den Pferden, welche alle gesattelt waren, die zwei besten aus.
Der Indianer lief wie ein Schnelläufer und stieß dabei ein Geheul aus, das weithin zu hören war. Seine Kameraden wurden aufmerksam; sie sahen, daß er auf uns deutete, und rannten auf ihn zu. Dadurch wurde Raum für uns frei. Wir stiegen auf und galoppierten in südlicher Richtung
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