39 - Satan und Ischariot III
war der Ansicht, und so veränderten wir zum zweitenmal unseren Lagerplatz. Als das geschehen war, setzte ich mich mit Vogel nicht etwa zu den beiden anderen, welche sich wieder schlafen gelegt hatten, sondern wir trennten uns, indem wir uns ein Stück von ihnen entfernten, ich rechts und Vogel links von ihnen. Dadurch, daß wir uns soweit auseinander befanden, lag für unser Gehör eine viel größere Strecke offen, als wenn wir zusammen geblieben wären. Um noch besser und weiter hören zu können, legte ich mich mit einem Ohr auf die Erde.
So warteten wir still und unbeweglich eine lange Zeit, bis es ungefähr drei Viertelstunden vor Tagesanbruch sein mochte. Da vernahm ich ein Geräusch. Es erklang aus der Gegend her, in welcher Vogel lag, und wenn ich mich nicht täuschte, so war es der Hufschlag zweier Pferde, welche von dem Pueblo herkamen und dann in die Ebene hinausliefen. Ich stand auf, ging zu Vogel und fragte:
„Haben Sie nicht etwas gehört?“
„Ja, Schritte von Menschen.“
„Wie viele können es gewesen sein?“
„Wer kann mit den Ohren zählen! Es waren viele. Sie kamen vom Pueblo her und dann an uns vorüber, aber weit von hier.“
„Das ist dasselbe, was ich auch gehört habe; aber Sie irren sich. Das waren keine Menschen, sondern Pferde.“
„Ich möchte aber doch wetten, daß es Menschen gewesen sind. Und über zehn waren es ganz gewiß.“
„Sie sind nicht so geübt wie ich. Es waren zwei Pferde, welche mit ihren Hufen die Erde so treffen, daß ein Unerfahrener allerdings denken kann, es seien über zehn Menschen. Wir müssen Winnetou und Sir Emery wecken, denn ich bin überzeugt, daß es die Meltons gewesen sind.“
Als die Genannten erwachten und meine Meldung hörten, waren sie gleicher Meinung mit mir. Emery sagte:
„Ja, sie waren es; sie sind fort, und wir müssen ihnen augenblicklich nach.“
„Nein“, entgegnete Winnetou. „Meine Brüder müssen mit mir warten, bis es hell geworden ist, damit wir die Spuren sehen können.“
„Das brauchen wir nicht. Wir kennen ja die Richtung, in welcher sie reiten.“
„Nein, die kennen wir nicht“, antwortete ich. „Winnetou hat recht. Wir müssen unbedingt warten.“
„Wir wissen doch, daß sie nach dem kleinen Colorado reiten. Wenn wir das auch tun, müssen wir auf ihre Spur treffen.“
„Aber es ist möglich, daß sie von jetzt an eine andere Richtung einschlagen, um uns irre zu führen.“
„Da müssen sie sich doch sagen, daß das vergeblich sein dürfte!“
„O nein. Sie haben keine Ahnung davon, daß wir ihr Ziel kennen; sie sind später in Albuquerque angekommen, als ihr sauberer Jonathan, und er hat ihnen also nicht erzählen können, was geschehen ist, seit sie sich von ihm getrennt haben. Sie glauben also, wir folgen ihnen und wissen nichts von ihm und dem Ort, an welchem sie ihn treffen wollen. Darum ist es sehr leicht möglich, daß sie auf den Gedanken kommen, uns in eine andere Gegend zu locken.“
„Well! Aber was schadet das? Wir reiten eben nach dem Colorado, um ihren Jonathan zu fassen. Wenn sie von dieser Richtung abweichen, so lassen wir sie laufen.“
„Wir wollen aber auch sie haben!“
„Wir bekommen sie sicher bei ihrem Jonathan. Wenn wir diesen haben, so warten wir, bis sie kommen. Und kommen werden sie.“
„Das ist gar nicht sicher. Ich möchte lieber das Gegenteil behaupten. Und wenn sie wirklich kommen, so werden sie dies mit solcher Vorsicht tun, daß es gewiß außerordentlich schwer sein wird, sie zu erwischen.“
„Das behauptest du mit solcher Sicherheit?“
„Ja. Ich habe meine Gründe dazu. Frage Winnetou! Er wird mir beistimmen.“
„Warum sollten sie sich später noch mehr in acht nehmen als jetzt?“
„Das ist doch so einfach! Sie wollen uns fortlocken. Wenn sie bemerken, daß wir ihnen nicht folgen, so müssen sie natürlich annehmen, daß wir nach dem ‚Schloß‘ der Jüdin seien, und zwar ihnen voran. Sie müssen auch hin, und da versteht es sich ganz von selbst, daß sie, wenn sie kommen, dies nur mit äußerster Vorsicht tun werden.“
„Hm! Das ist allerdings nun zu begreifen.“
„Dazu kommt, daß wir dann leicht zwischen zwei Feuer kommen können, vor uns haben wir Jonathan Melton und hinter uns die beiden.“
„Pshaw! Jonathan ist gar nicht zu fürchten!“
„Richtig! Aber du vergißt, daß er eine Anzahl von Indianern bei sich hat, welche mit der Jüdin und ihrem verstorbenen Mann, ihrem Häuptling, aus der Sonora herübergezogen sind. Mit
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