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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Willkür des Schicksals überlassen?
    Ein Blick in die reale Welt sagte mir alles.
    Er hatte Wachtposten aufgestellt. Einen Hinterhalt geplant.
    Aber er hatte die Stärke des Feinds unterschätzt.
    Sechs Leichen zählte ich in dem Raum. Drei von ihnen waren irgendwelche Söldner. Sie trugen paramilitärische, zu keiner Armee gehörende Uniformen und Maschinenpistolen – an deren Magazinen matt die in die Kugeln gelegten Zauber aufleuchteten. Bei einem handelte es sich um einen Lichten Magier ersten Grades. Den Toten hatten die in ihn hineingejagten Salven aus den Maschinenpistolen regelrecht in zwei Hälften gerissen. Die unverbrauchte Kraft sickerte träge mit einem nebligen weißen Leuchten aus dem Magier heraus. Bei zwei weiteren Erschossenen handelte es sich um Menschen, die von der Nachtwache angeheuert worden waren. Die Schutzamulette, die sie nicht hatten retten können, loderten mit kleinem Feuer auf ihrer Brust. Auch sie waren mit der Waffe in der Hand gestorben – nach wie vor pressten sich die toten Finger um die Pistolen.
    Zu wie vielen waren sie gekommen, die Angreifer? Und wie viele waren über die dritte Schicht hinaus ins Zwielicht vorgedrungen?
    Noch bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte, huschte ein schneller grauer Schatten durchs Zwielicht, der aus der ersten Schicht zu mir in die dritte vordrang. Vor mir stand Bruce.
    Der Meister der Vampire sah schlimm aus. Die Brust von Kugeln zerfetzt. Er atmete schwer, aus seinem Mund ragten die Eckzähne.
    »Aha!«, rief ich mit einer Begeisterung, die Bruce sofort richtig deutete.
    »Bleib stehen, Lichter!«, heulte er. »Ich bin auf deiner Seite! Lermont hat mich gebeten, zu dir zu kommen!«
    »Und wer hat auf dich geschossen?«
    »Der Roboter im Gang!«
    Ich kniff die Augen zusammen, verfolgte den Vampirpfad. Ja, die Fußabdrücke des Untoten kamen durch den Gang, vom Eingang in die Verliese her. Das Blutbad hatte nicht er angerichtet.
    Auf ihn hatte Lermont also gesetzt, um den ferngesteuerten Schützen zu überwinden. Einen Toten kann man selbst mit magisch manipulierten Kugeln nur schwer töten.
    »Wer ist das?« Ich drückte mich nicht genauer aus, doch Bruce verstand mich.
    »Ich weiß es nicht! Keiner von uns! Ein Fremder! Er hatte zwei Dutzend Menschen bei sich, aber sie sind inzwischen alle tot. Auch Lermonts Wachtposten sind tot!«
    »Folgen wir ihm!«, befahl ich.
    Bruce zögerte. Er äugte zu dem aus dem Körper austretenden Blut hinüber – im Unterschied zu den übrigen Toten war dieser Mensch gerade erst gestorben und seine Leiche fand sich in allen Schichten des Zwielichts zugleich wieder. Der Tod stellt sehr starke Magie dar …
    »Wag es ja nicht«, warnte ich ihn.
    »Ihm macht das eh nichts mehr aus«, brummte Bruce. »Ihm macht es nichts mehr aus, aber ich muss mich noch mit wer weiß wem schlagen!«
    Das war ekelhaft – entsprach jedoch der Wahrheit. Aber einem Vampir einen toten Kollegen als Futter zu überlassen …
    »Wenn du das Blut austrinkst, entsteht die Barriere wieder«, fand ich ein Argument zu meinen Gunsten. »Gehen wir. Du schaffst es schon.«
    Bruce verzog das Gesicht, widersprach aber nicht. Er senkte den Kopf, als wolle er ein Hindernis rammen, und trat in die vierte Schicht ein.
    Ich folgte ihm.
    Sich die Brust haltend, stand Bruce da. Es schüttelte ihn. In seinen Augen stand nackte Angst geschrieben. Bis auf Bruce gab es hier niemanden. Nichts und niemanden. Die Unterwelt war verschwunden. Nur Sand war zurückgeblieben, grauer und zugleich farbiger Sand, nur hier und da verstreute schwarze Findlinge … Und dann noch der rosa-weiße Himmel ohne Sonne.
    »Anton … tiefer kann ich nicht.«
    »Warst du schon einmal in der fünften?«
    »Nein!«
    »Ich auch nicht. Gehen wir!«
    »Das schaffe ich nicht!«, jammerte der Vampir. »Verflucht, siehst du denn nicht, dass ich sterbe.«
    »Du bist längst tot!«
    Bruce schüttelte so wütend den Kopf, als wolle er ihn sich vom Hals abschrauben.
    Wenn mich nur der leiseste Verdacht beschlichen hätte, er mache mir etwas vor, hätte ich ihn gezwungen. Gezwungen oder für immer ruhig gestellt.
    Doch der Eintritt in die vierte Schicht hatte ihm offenbar tatsächlich die letzten Kräfte geraubt.
    »Geh Lermont holen!«, befahl ich.
    Mit unverhohlener Erleichterung stürzte Bruce zurück. So strebt ein dem Erstickungstod naher Taucher aus tödlichen Tiefen empor.
    Inzwischen suchte ich im Sand nach meinem Schatten.
    Er musste da sein. Ich musste doch einen Schatten

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