4 - Wächter der Ewigkeit
abzulenken!
Gerade noch rechtzeitig drehte ich mich um, um die weiße Rauchspur zu sehen, die auf uns zujagte. Die Rakete war vom Dach eines Hochhauses abgeschossen worden, das etwa einen Kilometer von hier entfernt stand. Und sie steuerte präzise auf ein Ziel zu: genau auf die Laube.
»Foma!«, schrie ich und schleuderte auf gut Glück einen Freeze gegen die Rakete. Doch entweder verfehlte dieser temporäre Gefrierzauber sein Ziel, oder die Rakete war ebenfalls gegen Magie gefeit – jedenfalls geschah nichts.
»Ins Zwielicht!«, schrie Foma.
Manchmal ist es besser zu gehorchen, als sich eigene, originelle Auswege zu überlegen. Ich trat ins Zwielicht, wobei ich mehr oder weniger in einem Rutsch in der zweiten Schicht landete. Neben mir tauchte Lermont auf, der die erste Schicht ebenfalls für unzureichend erachtete. Zu meiner Verblüffung hielt sich Foma jedoch nicht lange in der zweiten Schicht auf: Er fuchtelte mit der Hand und drang tiefer ins Zwielicht ein. Ohne etwas zu begreifen, folgte ich ihm in die dritte Schicht. Was sollte das? Eine starke Explosion in der realen Welt konnte in der ersten Schicht nachhallen, würde aber auf keinen Fall die zweite erreichen … Sollte Foma freilich mit dem Schlimmsten, mit dem Undenkbaren rechnen – eine Atombombe würde ohnehin die Materie in allen Schichten des Universums durchglühen.
Eine weiße Flamme ließ den grauen Dunst aufleuchten. Der Boden unter unseren Füßen bebte leicht. Leicht – aber unverkennbar!
»Wo ist Semjon?«, brüllte ich.
Lermont breitete nur die Arme aus. Wir warteten noch ein paar Sekunden, bis in der normalen Welt keine Granatsplitter mehr durch die Luft flogen, die Flammen erstickt waren und keine rauchenden Teilchen der Laube mehr niedergingen.
Dann kehrten wir zurück.
Lermonts adrettes Cottage war entglast und mit dem feinen Staub der Scherben überzogen. Aus einem der Fenster im ersten Stock stak ein kräftiger Ast heraus, den die Explosion von einem in der Nähe stehenden Baum abgesäbelt hatte.
Der Transporter war auf die Seite gekippt. Neben ihm lagen zwei reglose Körper. Ein dritter Mann – entweder der Maschinengewehrschütze oder der Fahrer, der sich klugerweise in Sicherheit gebracht hatte – robbte langsam, die steifen Beine nachziehend, zum Zaun.
Mitleid empfand ich im Grunde nicht mit ihm. Ein gewöhnlicher Bandit, den man eingesetzt hatte, um unsere Aufmerksamkeit von der abgefeuerten Rakete abzulenken. Er hatte gewusst, auf was für ein mieses Spiel er sich einließ.
An der Stelle der Laube befand sich jetzt ein kleiner Trichter, in dem sich frisch gehackte weiße Holzscheite auftürmten. Über uns kreisten flatternd die Spielkarten, bis sie dann landeten – ein merkwürdiger Zufall hatte sie nicht verbrannt, sondern in die Luft geschleudert.
Semjon entdeckten wir neben dem Wagen. Er steckte in einer funkelnden durchscheinenden Kugel, die aus Kristall gemeißelt schien. Die Kugel rollte langsam dahin – und Semjon, Arme und Beine ausgebreitet, mit ihr. Seine Haltung parodierte auf so komische Weise das berühmte Bild »Der Goldene Schnitt«, dass ich dumm loskicherte. Der gedrungene, kurzbeinige Semjon glich dem muskulösen Athleten, den Leonardo da Vinci gezeichnet hatte, nun wirklich nicht.
»Ein sehr unbequemer Zauber«, kommentierte Lermont erleichtert. »Wenn auch zuverlässig.«
Die Kristallkugel bekam Risse und löste sich in Seifenschaum auf. Semjon, der in diesem Moment auf dem Kopf stand, drehte sich geschickt herum und landete auf den Füßen. »Ist das bei Ihnen samstags so üblich, Mister Lermont?«, fragte er, während er sich mit dem Finger im Ohr herumpolkte. »Oder ist das unserem Besuch geschuldet?«
Lermont ging mit keiner Silbe auf diese phantasielose Stichelei ein. Er legte den Kopf schräg, als lausche er auf eine Stimme. Und machte ein immer finstereres Gesicht.
Plötzlich schuf er mit zwei Bewegungen vor sich den schillernden Rahmen eines Portals. »Mir nach, meine Herren«, sagte er. »Ich fürchte, das war nur ein Ablenkungsmanöver.«
Noch bevor ich dazu kam zu fragen, was er mit dem umgekippten Transporter zu tun gedachte oder mit der in die Luft gejagten Laube, dem fortkriechenden Banditen und den am Ende der Straße auftauchenden Nachbarn, öffnete sich in unserer Nähe ein zweites Portal, aus dem ein Anderer nach dem nächsten sprang.
Keine gewöhnlichen Lichten aus der Nachtwache, sondern Andere, die Polizeiuniformen, kugelsichere Westen und Helme trugen. Andere mit
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